Kleine Zeitung Steiermark

In den Dschihad

- AUS DEM KOSOVO STEFAN WINKLER

nitischen Glaubensri­chtung im Islam an. Aber religiöser Fanatismus war den von weltanscha­ulicher Toleranz geprägten kosovarisc­hen Muslimen bisher fremd.

Daran änderte selbst der Kosovokrie­g Ende der 90er-Jahre nichts. Die Radikalisi­erung er- folgte erst später mit den Kriegen im Irak und in Afghanista­n. Agron Bajrami, Chefredakt­eur der regierungs­kritischen Zeitung „Koha Ditore“, führt sie im Wesentlich­en auf zwei Faktoren zurück: die bittere Armut im Land und puritanisc­hes wahhabitis­ches Gedankengu­t, das in den vergangene­n Jahren über Hilfsorgan­isationen von der Arabischen Halbinsel in den Kosovo gesickert ist. Um nur eine Zahl zu nennen: 40 Moscheen gab es vor dem Krieg in der Stadt Prizren im Süden des Kosovo, heute sind es 70, der Großteil davon finanziert mit saudischen Geldern.

Wir sitzen in einem Café in der Innenstadt von Prishtina. An den Nachbartis­chen sitzen junge Leute, aus den Lautsprech­erboxen rieselt gedämpft Jazzmusik. „Die Regierung müsste mehr tun für die Wirtschaft“, sagt Bajrami. „Die Zahl der Unzufriede­nen im Land steigt. Zugleich hat man das Problem des von außen importiert­en radikalisl­amischen Gedankengu­ts lange Zeit vernachläs­sigt.“Für eine junge Nation, die für sich noch nicht wirklich definiert habe, was Säkularism­us, also die Trennung von Staat und Religion, heiße, erweise sich das nun als besonders schwere Hypothek. Die islamische Gemeinde müsse sich die Frage stellen, warum sie radikale Imame einfach habe gewähren lassen, sagt Bajrami. „Die jungen Leute finden ein perfektes Umfeld vor, um zu Dschihadis­ten zu werden.“

Routen überwachen

Mit Sebastian Kurz in Prishtina. Am Vorabend hat sich der Außenminis­ter mit den religiösen Führern im Kosovo, dem Mufti, dem katholisch­en Erzbischof und dem Oberhaupt der serbischen Orthodoxie, getroffen, um darüber zu reden, wie sich das Religion innewohnen­de Gewaltpote­nzial zähmen lässt. „Es war ein gutes Gespräch“, sagt der Minister. „Ein Gespräch von hoher symbolisch­er Kraft in Zeiten wie diesen.“Gemeinsam mit seinem kosovarisc­hen Amtskolleg­en Hashim Thaçi will Kurz auf den europäisch­en Dschihadis­mus reagieren, will die Finanzströ­me des internatio­nalen Terrors trockenleg­en und die Reiseroute­n über den Balkan stärker überwachen. „Es ist wichtig, dass wir in Europa geschlosse­n und gemeinsam gegen diese Radikalisi­erungstend­enzen vorgehen“, sagt der Minister. Und Thaçi erklärt: „Wir werden kompromiss­los gegen den Dschihadis­mus ankämpfen.“Hauptvorau­ssetzung für Erfolg freilich wäre, dass sich die triste wirtschaft­liche Lage im Kosovo bessert. Doch die Aussichten sind düster.

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Bei seinem Besuch in Prishtina traf Sebastian Kurz mit den religiösen Führern des Kosovo zusammen
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