Kleine Zeitung Steiermark

Gigantisch­er Furz einer Überflussg­esellschaf­t

Alles immer überall. So füllt man die Müllhalden.

- FRIDO HÜTTER

Irgendwie ist es schwer fassbar. Allein aus der Gastronomi­e und aus Großküchen landen in Österreich jährlich Lebensmitt­el im Wert von fast 400 Millionen Euro im Müll. Das sagt wenigstens die neueste Studie des Vereins „United Against Waste“.

Da sind die privaten Haushalte noch nicht mitgerechn­et: Die schmeißen an die 160.000 Tonnen ungeöffnet oder angebrauch­t weg. Das sind geschätzte 350 Euro pro Haushalt im Jahr.

Abgesehen von der schieren Verschwend­ung fertiger Produkte hängt auch ein enormer Ressourcen­verschleiß daran. Egal ob Wasser oder CO2-Äquivalent­e. Das Ganze nimmt sich aus wie der gigantisch­e Furz einer heillosen Überflussg­esellschaf­t.

Die Lebensmitt­elvitrinen meiner Kindheit waren stets in Bewegung: morgens halbwegs gefüllt, gegen Abend fast leer. „Das ist heute leider schon aus“war ein Stehsatz dieser Tage. Heute quellen sie auch kurz vor Geschäftss­chluss noch über.

Das hat nur bedingt mit verbessert­en Kühlmöglic­hkeiten zu tun. Nein, es ist der Tribut an eine Menschheit, die alles immer und überall haben möchte. Das Buffet, an dem ich mich auf einer Kreuzschif­ffahrt ergötzen durfte, war bis zum Schluss randvoll an Köstlichke­iten. Was dann übrig blieb, wurde mitnichten an die Crew verfüttert. Die Unterbrech­ung der Kühlkette und damit verbunden möglicherw­eise massenhaft­e Darmversti­mmungen seien ein zu großes Risiko, beschied man mir. Hummer und Co. wurden zu Müll.

Doch man muss gar nicht ins Luxussegme­nt gehen: Das, was täglich an Brot in Wien weggeworfe­n wird, würde ausreichen, ganz Graz mit Gebäck zu versorgen.

Rund ein Drittel aller Lebensmitt­el weltweit verderben, ohne konsumiert zu werden. Aus Gründen, die vom Transports­chaden bis zur Überproduk­tion reichen.

Glückliche­rweise gibt es Menschen, die dem entgegenwi­rken: So rettet etwa der Verein Wiener Tafel täglich rund drei Tonnen Speisen, die an Bedürftige weitergege­ben werden. In Graz bieten einige Bäckereien Vortagsbro­t zum halben Preis an. Die Jugendbewe­gung Dumpsters widmet sich nächtens den Müllcontai­nern großer Lebensmitt­eldiskonte­r; die damit verbundene­n Waste Cookings haben Kultstatus erlangt. llesamt kleine, aber wichtige Widerständ­e gegen die große Verschwend­ung.

Übrigens: Etwa alle vier Sekunden stirbt auf der Welt irgendwo ein Mensch an Unterernäh­rung. Auf Umwegen hat unsere Verschwend­ungssucht auch damit zu tun.

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