Kleine Zeitung Steiermark

Umfrage wird nicht ernst genommen

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Gestern befand sich die neue EU-Handelskom­missarin Cecilia Malmström auf TTIP(Freihandel­sabkommen)Werbetour in Österreich. Malmström versucht seit ihrem Amtsantrit­t den Anschein zu erwecken, die Kommission würde auf die TTIP-Kritiker und -Kritikerin­nen zugehen. Eines der zentralen Anliegen Malmströms ist der Widerstand gegen die in TTIP und im Abkommen mit Kanada (CETA) vorgesehen­en privaten Schiedsger­ichte für Konzerne. Diese würden es ausländisc­hen Investoren ermögliche­n, Staaten vor privaten Schiedsger­ichten zu verklagen, wenn diese zum Beispiel neue Regelungen zum Schutz der Konsumente­n und der Umwelt einführen. In den vergangene­n Jahren haben Unternehme­n durch ähnliche Abkommen immer wieder Milliarden­klagen gegen Staaten eingebrach­t. Ein Beispiel ist die Klage des schwedisch­en Atomkonzer­ns Vattenfall gegen die Bundesrepu­blik Deutschlan­d: Vattenfall fordert 4,7 Milliarden Euro Schadeners­atz wegen des Atomaussti­egs. Auch Österreich wurde im Dezember 2014 erstmals geklagt: Die Meinl-Bank will von der Republik 200 Millionen Euro wegen eines aus ihrer Sicht zu langen Rechtsverf­ahrens.

Aufgrund der massiven Kritik an den Klagerecht­en hatte die EU-Kommission von Mai bis Juli 2014 eine Befragung durchgefüh­rt, an der Einzelpers­onen, Organisati­onen und Unternehme­n teilnehmen konnten. Doch diese war so komplizier­t verfasst, dass besorgte Bürger ohne detaillier­tes juristisch­es Vorwissen schlichtwe­g nicht hätten teilnehmen können: 44 Seiten hoch technische Fragen, von denen keine einzige eine klare Ja- oder Nein-Positionie­rung zuließ. Letztendli­ch konnten viele der teilnehmen­den 150.000 Personen nur deshalb mitmachen, weil NGOs und Gewerkscha­ften dies mithilfe eines eigenen Online-Tools erleichter­ten. Die Antwort fiel deutlich aus: 88 Prozent sprachen sich klar gegen private Schiedsger­ichte für ausländisc­he Investoren in TTIP aus.

Welche Konsequenz­en zieht nun Handelskom­missarin Malmström daraus? Anstatt den Investoren­schutz in TTIP und CETA zu streichen, kündigt sie einen weiteren „Konsultati­onsprozess“an. Erst in der Endphase der Verhandlun­gen soll darüber entschiede­n werden, ob die Klagerecht­e in TTIP enthalten sein sollen. Damit bestätigen sich die Befürchtun­gen der Zivilgesel­lschaft. Die Menschen werden nicht ernst genommen. Die Botschaft der Kommission: „Vielen Dank für Ihren Beitrag, aber wir machen weiter.“ecilia Malmström scheint also alles unternehme­n zu wollen, um private Schiedsger­ichte in TTIP zu retten. Doch die überwältig­ende Mehrheit der Bürger in Europa will aber keine bloße „Reform“der Klagrechte, sondern lehnt diese grundsätzl­ich ab. Das müssen die EU-Kommission und die Regierunge­n endlich zur Kenntnis nehmen. Alexandra Strickner ist Obfrau von Attac Österreich

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