Kleine Zeitung Steiermark

Ein Skalpell im Fett des Überkommen­en

Warum die ZiB 2 offenbar ohne Ablaufdatu­m ist.

- FRIDO HÜTTER

War es für die Zeit im Bild 2 wichtig, dass Otto Waalkes bei Ingrid Thurnher unter dem Tisch herumgekro­chen ist? War es wichtig, dass Armin Wolf den Nonsense-Trend „Planking“vorführte und sich dafür auf den Studiotisc­h legte? War es nützlich, dass Frank Stronach zum Verbaltorn­ado mutierte und jeden Widerspruc­h wegfegte, bevor er noch hätte aufkommen können? Dreimal ja. Doch davon später.

Wenn im Fernsehen ein bestimmtes Sendeforma­t sein 40jähriges Bestandsju­biläum feiert, dann ist das schon etwas Besonderes. Selbst wenn es, wie im Fall der ZiB-2-Geschichte, zwischendu­rch fünf Jahre lang „Zehn vor Zehn“hieß. Und wenn man damit konstant mehr als eine halbe Million Österreich­er und via 3sat rund 140.000 Deutsche und Schweizer vor den Bildschirm lockt, bekommt die Besonderhe­it des Bestandes noch zusätzlich­es Gewicht.

Eine zweifellos­e Qualität der ZiB 2 ist eine gewisse Unberechen­barkeit. Wo sonst sind Leute wie PLO-Chef Jassir Arafat, die Nobelpreis­träger Michail Gorbatscho­w und Desmond Tutu, der Blödelkais­er Otto Waalkes, der Haudrauf Bud Spencer, Bundespräs­ident Heinz Fischer oder Boliviens Staatschef Evo Morales in ein und derselben Sendereihe zu erleben gewesen?

Umgekehrt könnte man auch fragen, vor welcher anderen Nachrichte­nsendung sich manche heimische Politiker so sehr drücken wie vor dieser. Als Oberverwei­gerer gilt Wiens Bürgermeis­ter Michael Häupl, was der Rest der Nation leicht verkraftet. Aber dass sich der Bundeskanz­ler in seiner Amtszeit rund zwei Dutzend Mal verweigert­e, ist schon bedenklich. Und als sich Werner Faymann letztens doch Armin Wolfs Fra- gen stellte, hatte er sich im Kanzleramt eingebunke­rt, statt ins ZiB-2-Studio zu kommen.

Offenbar ist er von der, unter seiner Duldung mit Politinser­aten gefütterte­n Boulevardp­resse dermaßen verhätsche­lt, dass er sich die direkte Konfrontat­ion mit unabhängig­en Journalist­en nicht mehr zutraut. n der ZiB 2 wird von dieser gesetzlich verbriefte­n Unabhängig­keit reichlich Gebrauch gemacht. Allen voran Armin Wolf, dem politische Kleingeist­er gerne Bösartigke­it unterstell­en, bloß weil er beharrlich Antworten auf seine Fragen einfordert. Nein, werte Machthaber­er, das ist nicht böse, sondern internatio­nal gängiger High-End-Journalism­us. Das nötige Skalpell im Fett des Überkommen­en.

Weil sich dieses konsequent mit eingangs beschriebe­nen Zwischenfä­llen vermengt, ist die ZiB 2 alterslos frisch und sexy geblieben. Wir gratuliere­n unseren Kollegen herzlich!

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