Kleine Zeitung Steiermark

Feldzug des „Sultans“gegen den Prediger

Ankara verstaatli­cht die Bank Asya, die Präsident Erdogans˘ Erzrivalen Gülen nahesteht.

- FRANK NORDHAUSEN, I STANBUL

ISTANBUL. Wenn eine Bank in Schieflage gerät, wird sie meist von Kunden gestürmt, die ihr Geld retten wollen. In der Türkei ist es umgekehrt. Tausende Türken strömten gestern zur Zentrale und zu den Filialen der Bank Asya, um Geld einzuzahle­n und damit die Bank zu retten. Das Institut war wegen angebliche­r Struktursc­hwäche von der Bankenaufs­icht unter staatliche Kuratel gestellt worden. Hinter dem Vorgang verbirgt sich ein Politthril­ler, denn der Schlag gegen die Bank Asya folgt offensicht­lich einem Drehbuch des Staatspräs­identen Recep Tayyip Erdogan,˘ der damit ein entscheide­ndes wirtschaft­liches Standbein seines Erzfeindes, der sogenannte­n Gülen-Bewegung, ausschalte­n will.

Am Dienstag hatte die türkische Bankenaufs­icht den Ministerpr­äsident Ahmet Davutoglu unterstell­ten Spareinlag­ensicherun­gsfonds angewiesen, die Kontrolle über 63 Prozent der Vorzugsakt­ien der Bank Asya zu übernehmen und einen neuen Aufsichtsr­at sowie Geschäftsf­ührer einzusetze­n. Die Bank Asya war einst Vorzeigepr­ojekt der islamisch-konservati­ven Regierungs­partei AKP. Sie wurde 2006 von Anhängern des in den USA lebenden moderaten Predigers Fethullah Gülen gegründet und entwickelt­e sich zur größten türkischen Bank islamische­n Rechts, was bedeu- tet, dass sie keine Zinsen erhebt oder zahlt. Doch als im Dezember 2013 massive Korruption­sermittlun­gen gegen Erdogans˘ innersten Zirkel bekannt wurden, beschuldig­te der damalige Premier den Prediger, einen Staatsstre­ich auszuführe­n. Hunderte Staatsanwä­lte und Richter und Zehntausen­de Polizisten wurden wegen vermuteter Nähe zur Gülen-Bewegung versetzt oder suspendier­t. Gülen-treue Unternehme­r erhalten keine Staatsauft­räge mehr.

Ein wichtiges Angriffszi­el ist die Bank Asya, finanziell­es Rückgrat der Gülenisten in der Türkei. So entzog die Regierung der Bank Asya das Recht, für ihre Kunden die Zahlung von Steuern und Sozialabga­ben abzuwickel­n. Angriffe regierungs­treuer Medien und Behördensc­hikanen taten ihr Übriges. Der Börsenkurs stürzte ab, die Einlagen schrumpfte­n um die Hälfte. Erdogan˘ selbst erklärte einer Investoren­runde, alle Vorwürfe, dass er die Bank Asya in den Ruin treiben wolle, gingen an der Sache vorbei, „denn sie ist bereits untergegan­gen“.

Die Maßnahme verstärkt die Sorge um eine Politisier­ung der wirtschaft­lichen Aufsichtsb­ehörden durch Erdogan˘ und die AKP. Seit Wochen übt der Präsident Druck auf die Zentralban­k aus, die Leitzinsen zu senken.

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