„Eingebildet, überheblich und arrogant“
Bald wird das Urteil über Francesco Schettino gesprochen. In seiner Heimat ist der Ex-Kapitän der Costa Concordia umstritten.
Fünfzig Meter sind es von der Via San Cristoforo Nr. 10 bis ans Meer. Zwei Minuten bis zu einem atemberaubenden Blick. Auf den Golf, auf das türkise Wasser am Fuß der Steilküste, im Hintergrund Neapel, die Insel Ischia. Capri liegt gleich hinter den Felsen links, rechts der Vesuv, dessen verschneiter Kraterrand aussieht, als sei er in Zuckerguss getaucht. Wenn er gerade nicht zur See war, lief Francesco Schettino früher diesen Weg von seinem Haus ans Meer. Wer weiß, wann er ihn wieder wird gehen können. In den kommenden Tagen spricht das Gericht im toskanischen Grosseto sein Urteil über den ehemaligen Kommandanten der Costa Concordia.
Die Staatsanwaltschaft hat gefordert, dass Schettino als Hauptverantwortlicher der Tragödie vom 13. Januar 2012 vor der Insel Giglio 26 Jahre und drei Monate hinter Gitter kommt. 32 Menschen starben. Auf fahrlässige Tötung, Schiffbruch und vorzeitiges Verlassen des Schiffs lautet die Anklage. Schettino ist heute 54 Jahre alt, bei seiner Freilassung wäre er über 80. Wie muss sich dieser Mann, der im ersten Stock des Hauses in der Via San Cristoforo in Meta di Sorrento ausharrt, bei dieser Aussicht fühlen?
Giuseppe Tito ist einer der wenigen, die an den Angeklagten herankommen. Schettino ist für ihn schlicht „Franco“. Der Ex-Kapitän war im Sommer oft in Titos Hotel unten am Strand zu Besuch, die beiden sind Nachbarn und treffen sich bis zu zweimal die Woche. Er ist selbst ein Beispiel dafür, warum Schettino in seiner 8000-Einwohner-Gemein- de umstritten ist. Eines Tages, der Prozess war längst in vollem Gang, sprach sich der ehemalige Kapitän öffentlich für seinen Freund als Bürgermeisterkandidat aus. Der Hotelier wurde im Mai gewählt. Der Angeklagte hat seither einen treuen Verbündeten in ihm.
Tito ist Schettinos Sprachrohr in Meta. Er sagt Sätze wie: „Als Bürgermeister muss ich die Justiz respektieren. Aber als Freund und Mitbürger verteidige ich Franco. Es ist normal, dass man in so einer Situation auch Angst be-