Würden Sie Griechenland Geld leihen?
Stellen Sie sich vor, Sie haben einen guten Freund, der ein kleines feines Hotel besitzt, wo Sie schon seit Jahren Urlaub machen. Und der Sie jetzt bittet, ihm – weil Sie ja ein so guter europäischer Freund sind und er leider überschuldet ist – finanziell auszuhelfen. Und Sie ihm ja auch schon 2012 – als er seinen Nebenjob als voll angestellter Beamter verloren hatte – geholfen haben.
Sie bieten ihm an, gemeinsam mit Ihrer Bank und einem Bekannten, der als Unternehmensberater tätig ist, einen Geschäftsplan für sein Hotel mit ihm zu entwickeln: wo ist sparen weiterhin notwendig, wo müsste er aber investieren, um zukünftig produktiver zu sein. Nein, Ihr Freund lehnt ab: Das klingt ganz nach den Technokraten von der Troika – und so was will er als Grieche nicht.
Das Geld hätte er natürlich gern in Euro, selbstverständlich ist er dafür, dass Griechenland in der Euro-Zone bleibt. Aber einen Teil wird er sicherheitshalber im Ausland anlegen – man weiß ja nie!
Vorsichtig und etwas verschämt (Sie wollen sich ja nicht als böser Nordeuropäer aufführen) fragen Sie nach, wie es mit der Rückzahlung der alten Schuld stehe. Ja, da verlangt er sehr selbstbewusst eine Reduktion des Betrages. Oder zumindest eine Erstreckung bis nach der Pension – oder auch darüber hinaus (möglicherweise werden das einmal seine Enkerln erledigen). Sie reagieren darauf etwas skeptisch und weisen darauf hin, dass Sie auch Freunde in Spanien und Portugal haben, denen Sie Geld geliehen haben – die würden dann auch nichts zurückzahlen.
Ein kleiner Betrag an Rückzahlung wäre vielleicht möglich, meint Ihr Freund. Er hat zuletzt keine Steuern mehr bezahlt und sich dadurch Rücklagen bilden können. Dazu ist gegen Ende des letzten Jahres ein leichter Aufschwung in seinem Geschäft zu verzeichnen gewesen, er hat sich sogar einen geringen Bilanzüberschuss erwirtschaften können – die kleinen Reformen in seinem Hotel haben sich vielleicht doch ausgezahlt. ber dennoch: Der Wahlerfolg von Syriza hat Ihren Freund selbstsicherer gemacht, er lasse sich nichts aufzwingen. Wiederum sehr vorsichtig deuten Sie an, dass sich auch das Stimmungsbild in Ihrer Heimat und sonstigen Geldgeberstaaten in eine Gegenrichtung verlagern könnte, die der Zahlungsbereitschaft dann Grenzen auferlegen.
Und wenn Sie und Ihr griechischer Freund sich nicht einigen können, er seine Schuld nicht zahlen will, Sie ihm neue Kredite nicht geben wollen? Und Sie dann möglicherweise nicht mehr nach Griechenland fahren und ihn sich selbst und ohne Zahlungsfähigkeit überlassen – ein privates Grexit? Nicht gut für Ihren Freund, auch nicht für Sie – Sie fahren ja gern nach Griechenland. Univ.-Prof. Michael Steiner lehrt Wirtschaft an der Universität Graz
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