Hoffnung für die Ukraine
Nach Merkels und Hollandes Kremlreise soll morgen ein neuer Friedensplan vorgelegt werden.
Es ging alles sehr schnell. Wladimir Putin, Angela Merkel und François Hollande verhandelten vier Stunden. Dann gingen sie abendessen und nach Mitternacht verschwanden die Europäer in Richtung Flughafen. Nur Kremlsprecher Dmitri Peskow trat vor die Journalisten und sprach von „inhaltsreichen und konstruktiven Vorschlägen“. Am Sonntag soll ein neuer Friedensplan für die Ukraine vorgelegt werden. Wie er aussieht, darüber wurde bis auf Weiteres jedoch Stillschweigen vereinbart.
Auch Merkels und Hollandes Gespräch mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko in Kiew hatte fünf Stunden gedauert, auch dort traten die Politiker danach nicht vor die Presse. Aber Kiews Außenminister Pawlo Klimkin twitterte: „Macht euch keine Sorgen. Frankreich und Deutschland helfen uns, den Frieden wiederzuerlangen.“
Putin hatte sich schon vorher beeilt, guten Willen zu zeigen. Er rief am Donnerstag zu einer Waffenruhe für die halb eingekesselten Stadt Debalzewo auf. Die Rebellen schlugen vor, das Feuer einzustellen. Die Ukrainer willigten ein, man einigte sich auf einen „grünen Korridor“für die etwa 4000 verbliebenen Einwohner. Allerdings meldeten gestern die Ukrainer, die Rebellen feuerten weiter in die Stadt. Die Rebellen dagegen behaupteten, die Ukrainer hätten den Zivilisten die Evakuierung verschwiegen.
Die neue Verhandlungsrunde gilt als Versuch, die Vereinbarungen von Minsk wiederzubeleben. Im September hatten sich Vertreter der Ukraine, Russlands, der OSZE und der Rebellen auf einen Friedensplan geeinigt, der unter anderem eine Waffenruhe, den Abzug schwerer Waffen und einen Sonderstatus für die Regionen Luhansk und Donezk vorsieht. Danach scheiterten aber mehrere Waffenruhen daran, dass keine der beiden Seiten ihre Artillerie zurückzog. Außerdem gerieten Rebellen und Ukrainer mehrfach in Streit über den Verlauf der Demarkationslinie.
Berlin dementierte gestern einen Bericht, dass man bereit sei, die Demarkationslinie zugunsten der in heftigen Kämpfen etwa 1500 Quadratkilometer vorgerückten Rebellen zu verschieben. Aber diese Verschiebung erwartet auch die Moskauer Zeitung „Kommersant“unter Berufung auf russische diplomatische Quellen.
Internationalisierung
Vor allem aber steht der Einsatz einer internationalen Friedenstruppe zur Debatte, die den Abzug der schweren Waffen entlang der Demarkationslinie kontrollieren und die Kriegsparteien trennen soll – möglicherweise unter der Ägide der UN. „Russland wird seine Streitkräfte als Friedenstruppe vorschlagen, um so ihre Anwesenheit im Donbass zu legalisieren“, sagt der Kiewer Politologe Wadim Karasew. „Für die Ukraine ist das unannehmbar. Der Georgienkrieg 2008 hat gezeigt, wie schnell sich russische Friedenstruppen in Kampftruppen verwandeln.“Und der Moskauer Politologe Jewgeni Mintschenko meint: „Ein Kompromiss könnte eine Friedenstruppe aus anderen GUS-Staaten sein, etwa aus Weißrussland.“
Die Rebellenrepubliken sollen weiter zur Ukraine gehören, mehr Autonomie erhalten, ihr endgültiger Status bleibt aber offen. „Der Konflikt soll eingefroren werden“, sagt Karasew. „Russland ist dazu bereit, wird im Gegenzug aber verlangen, dass der Westen die Annexion der Krim stillschweigend duldet.“
Die Kämpfe im Donbass eskalierten Mitte Jänner, die Separatisten gingen zum Angriff über, eroberten den Donezker Flughafen und versuchten, die Ukrainer in Debalzewo einzukreisen. Auf ukrainischer Seite kämpfen im Donbass bis zu 50.000 Soldaten, die Rebellen beziffern sich auf 22.000 Mann. Aber ihre Feuerkraft ist höher, vor allem durch schwere Waffen aus Russland mit russischen Bedienungsmannschaften. Allerdings blieben ihre Angriffe bei Debalzewo stecken. Ihre Führer erklären immer wieder, dass sie das gesamte Gebiet von Donezk und Luhansk befreien wollen. „Erst dann gibt es eine klare Grenze wie in Transnistrien“, sagt Mintschenko. „Wenn man jetzt einen Waffenstillstand vereinbart, wird er nicht mehr sein als die nächste Atempause.“