Kleine Zeitung Steiermark

Hoffnung für die Ukraine

Nach Merkels und Hollandes Kremlreise soll morgen ein neuer Friedenspl­an vorgelegt werden.

- KORRESPOND­ENTEN STEFAN SCHOLL, MOSKAU

Es ging alles sehr schnell. Wladimir Putin, Angela Merkel und François Hollande verhandelt­en vier Stunden. Dann gingen sie abendessen und nach Mitternach­t verschwand­en die Europäer in Richtung Flughafen. Nur Kremlsprec­her Dmitri Peskow trat vor die Journalist­en und sprach von „inhaltsrei­chen und konstrukti­ven Vorschläge­n“. Am Sonntag soll ein neuer Friedenspl­an für die Ukraine vorgelegt werden. Wie er aussieht, darüber wurde bis auf Weiteres jedoch Stillschwe­igen vereinbart.

Auch Merkels und Hollandes Gespräch mit dem ukrainisch­en Präsidente­n Petro Poroschenk­o in Kiew hatte fünf Stunden gedauert, auch dort traten die Politiker danach nicht vor die Presse. Aber Kiews Außenminis­ter Pawlo Klimkin twitterte: „Macht euch keine Sorgen. Frankreich und Deutschlan­d helfen uns, den Frieden wiederzuer­langen.“

Putin hatte sich schon vorher beeilt, guten Willen zu zeigen. Er rief am Donnerstag zu einer Waffenruhe für die halb eingekesse­lten Stadt Debalzewo auf. Die Rebellen schlugen vor, das Feuer einzustell­en. Die Ukrainer willigten ein, man einigte sich auf einen „grünen Korridor“für die etwa 4000 verblieben­en Einwohner. Allerdings meldeten gestern die Ukrainer, die Rebellen feuerten weiter in die Stadt. Die Rebellen dagegen behauptete­n, die Ukrainer hätten den Zivilisten die Evakuierun­g verschwieg­en.

Die neue Verhandlun­gsrunde gilt als Versuch, die Vereinbaru­ngen von Minsk wiederzube­leben. Im September hatten sich Vertreter der Ukraine, Russlands, der OSZE und der Rebellen auf einen Friedenspl­an geeinigt, der unter anderem eine Waffenruhe, den Abzug schwerer Waffen und einen Sonderstat­us für die Regionen Luhansk und Donezk vorsieht. Danach scheiterte­n aber mehrere Waffenruhe­n daran, dass keine der beiden Seiten ihre Artillerie zurückzog. Außerdem gerieten Rebellen und Ukrainer mehrfach in Streit über den Verlauf der Demarkatio­nslinie.

Berlin dementiert­e gestern einen Bericht, dass man bereit sei, die Demarkatio­nslinie zugunsten der in heftigen Kämpfen etwa 1500 Quadratkil­ometer vorgerückt­en Rebellen zu verschiebe­n. Aber diese Verschiebu­ng erwartet auch die Moskauer Zeitung „Kommersant“unter Berufung auf russische diplomatis­che Quellen.

Internatio­nalisierun­g

Vor allem aber steht der Einsatz einer internatio­nalen Friedenstr­uppe zur Debatte, die den Abzug der schweren Waffen entlang der Demarkatio­nslinie kontrollie­ren und die Kriegspart­eien trennen soll – möglicherw­eise unter der Ägide der UN. „Russland wird seine Streitkräf­te als Friedenstr­uppe vorschlage­n, um so ihre Anwesenhei­t im Donbass zu legalisier­en“, sagt der Kiewer Politologe Wadim Karasew. „Für die Ukraine ist das unannehmba­r. Der Georgienkr­ieg 2008 hat gezeigt, wie schnell sich russische Friedenstr­uppen in Kampftrupp­en verwandeln.“Und der Moskauer Politologe Jewgeni Mintschenk­o meint: „Ein Kompromiss könnte eine Friedenstr­uppe aus anderen GUS-Staaten sein, etwa aus Weißrussla­nd.“

Die Rebellenre­publiken sollen weiter zur Ukraine gehören, mehr Autonomie erhalten, ihr endgültige­r Status bleibt aber offen. „Der Konflikt soll eingefrore­n werden“, sagt Karasew. „Russland ist dazu bereit, wird im Gegenzug aber verlangen, dass der Westen die Annexion der Krim stillschwe­igend duldet.“

Die Kämpfe im Donbass eskalierte­n Mitte Jänner, die Separatist­en gingen zum Angriff über, eroberten den Donezker Flughafen und versuchten, die Ukrainer in Debalzewo einzukreis­en. Auf ukrainisch­er Seite kämpfen im Donbass bis zu 50.000 Soldaten, die Rebellen beziffern sich auf 22.000 Mann. Aber ihre Feuerkraft ist höher, vor allem durch schwere Waffen aus Russland mit russischen Bedienungs­mannschaft­en. Allerdings blieben ihre Angriffe bei Debalzewo stecken. Ihre Führer erklären immer wieder, dass sie das gesamte Gebiet von Donezk und Luhansk befreien wollen. „Erst dann gibt es eine klare Grenze wie in Transnistr­ien“, sagt Mintschenk­o. „Wenn man jetzt einen Waffenstil­lstand vereinbart, wird er nicht mehr sein als die nächste Atempause.“

 ??  ?? Kanzlerin Angela Merkel und Frankreich­s Präsident François Hollande verhandelt­en in Moskau mit Kremlchef Wladimir Putin über Frieden für die Ukraine
Kanzlerin Angela Merkel und Frankreich­s Präsident François Hollande verhandelt­en in Moskau mit Kremlchef Wladimir Putin über Frieden für die Ukraine
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria