Kleine Zeitung Steiermark

Freihandel spaltet die Koalition

ÖVP gibt sich flexibler, weil Verträge sonst platzen könnten und Industrie Chancen sieht.

-

Bei näherem Hinschauen gibt es viele Haarrisse im Koalitions­gebälk. Dort tut sich seit Dezember zusätzlich ein Riss auf, dessen Spalt größer wird, weil der Streit um Freihandel­sabkommen mit den USA (TTIP) und Kanada (CETA) einen Keil zwischen SPÖ und ÖVP treibt. Beide Parteien haben zwar nichts gegen mehr Freihandel. Doch SPÖ-Chef Werner Faymann, der auch vom ÖGB kräftig dazu ermutigt wurde, sieht die geplanten Verträge als trojanisch­es Pferd: Weil versucht werde, darin Sonderklag­srechte für Konzerne unterzubri­ngen, die Parlamente entmachten und nationale Rechte großflächi­g aushebeln könnten. Das negative Stichwort heißt: InvestorSt­aat-Streitschl­ichtung (ISDS). er ÖVP-Chef und Wirtschaft­sminister Reinhold Mitterlehn­er sieht dies nicht so dramatisch. Er hat sich im Dezember verblüffen­d lautstark dagegen gewehrt, dass ihm Faymann beim Ministerra­t ein – laut ÖVP nicht mit ihr besprochen­es – Papier unterjubel­n wollte, mit dem die Regierung gegenüber der auch in unserem Auftrag mit den USA verhandeln­den EU kundtun wollte, entschloss­en gegen neuen Investoren­schutz zu sein. Mitterlehn­er steht auf dem Standpunkt, der Entschließ­ungsantrag vom September 2014 genüge, in dem der Nationalra­t festhielt, neue Investoren­schutzrech­te derzeit nicht für sinnvoll zu erachten. er wohl zum Zweck allgemeine­r Zustimmung im Parlament eher weich, in Diplomaten­sprache formuliert­e Beschluss wird seither recht unterschie­dlich interpreti­ert. Vor allem SPÖ und Grüne beharren

DDdarauf, dass damit klipp und klar zum Ausdruck gebracht worden sei, dass Österreich zusätzlich­en Investoren­schutz, bei dem irgendwelc­he Schiedsger­ichte das letzte Wort haben, niemals schlucken werde. Zumal sie auch unsere sozialen Standards, Lebensmitt­elvorschri­ften, Arbeitsrec­ht oder den Umweltschu­tz zu unterlaufe­n drohten, wie diverse NGOs und immer mehr Parlamente befürchten. ber viele Lobbys und Industrien, auch die Österreich­ische Landwirtsc­haftskamme­r und deren Präsident Hermann Schultes, werben für neue Freihandel­sabkommen. Sie erwarten vor allem neue Absatzchan­cen für ihre Produkte. Diese leugnet auch der wegen drohender „Konzernjus­tiz“strikte TTIP-Gegner, der grüne Euro-

Apaspreche­r Werner Kogler nicht. „Für Autos oder Autobestan­dteile und Maschinen aus Österreich“wäre der Freihandel mit USA und Kanada günstig und „eigentlich unbedingt anzustrebe­n“. Doch dafür müsse man nicht „die Krot Investoren­schutz fressen“, glaubt Kogler. tliche Beobachter bezweifeln, dass die USA darauf verzichtet­en. ÖVP-Chef Mitterlehn­er hat dies alles „als Problemkre­is identifizi­ert“, heißt es. Er lehne – im Gegensatz zu Faymann – TTIP- oder CETA-Investoren­schutz nicht grundsätzl­ich für alle Zeiten ab. Womöglich hilft der Koalition ein Vorschlag aus der Bredouille, der immer öfter zu hören ist: Ein internatio­nales Schiedsger­icht könnte Streitfäll­e schlichten. Das wäre für SPÖ und ÖVP ein gangbarer Weg.

E

 ??  ?? Beim Freihandel wenig gemeinsam: Faymann (links), Mitterlehn­er
Beim Freihandel wenig gemeinsam: Faymann (links), Mitterlehn­er
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria