Kleine Zeitung Steiermark

Jetzt sprechen die Griechen

Der neue griechisch­e Premiermin­ister Alexis Tsipras erfährt daheim viel Unterstütz­ung – auch von Menschen, die ihn nicht gewählt haben.

- VON UNSEREM KORRESPOND­ENTEN

Als sich Donnerstag­abend spontan Tausende Menschen auf dem Athener Syntagmapl­atz versammeln, ist auch Petros Diamantis dabei. „Die Regierung von Alexis Tsipras braucht jetzt unsere Unterstütz­ung, deshalb bin ich hier“, sagt er. Aus dem Athener Arbeitervo­rort Aspropyrgo­s ist er in die Stadt gefahren, gleich nach Feierabend im kleinen Metallbaub­etrieb, wo der 53-Jährige als Schweißer arbeitet. Zwei Stunden dauerte die Anfahrt, dann war er endlich da, auf dem Syntagmapl­atz vor dem Parlaments­gebäude, wo wenige Stunden zuvor die neu gewählten Abgeordnet­en ihren Eid geleistet hatten.

Eine solche Versammlun­g hat es in Athen seit Jahrzehnte­n nicht gegeben. Eine Demonstrat­ion nicht gegen, sondern für eine Regierung: Zuletzt gab es das 1974, nach dem Sturz der Militärjun­ta, als der griechisch­e Ethnarch Konstantin Karamanlis aus dem Exil zurückkehr­te und seine „Regierung der nationalen Einheit“bildete. Wie damals versammelt­en sich jetzt Tausende. Junge und Alte, Schüler, Studenten, Arbeiter, Hausfrauen und Rentner. Sie wollten Tsipras, der mit der EU um ein Ende des Sparprogra­mms ringt, den Rücken stärken. Die Absperrgit­ter, die seit Jahren vor dem Parlaments­gebäude standen, hatte die neue Regierung schon Tage zuvor wegräumen lassen. Polizei ist an diesem Abend nicht zu sehen. Nur ein paar Beamte leiten den Verkehr um. Es fliegen keine Steine, keine Molotowcoc­ktails. Es gibt keine Wasserwerf­er, keine Straßensch­lachten, kein Tränengas.

Petros Diamantis hat durch Arbeitskol­legen von der Versammlun­g gehört, diese hatten davon über Twitter und Facebook erfahren. In seinem Betrieb haben alle die Tsipras-Partei Syriza gewählt. „Jetzt sprechen wir“, sagt Diamantis. Die Menschen stimmen Sprechchör­e an: „Wir lassen uns nicht erpressen, wir geben nicht nach, wir haben keine Angst.“Immer wieder ertönen auch Hymnen auf Yanis Varoufakis, den neuen Finanzmini­ster. Er ist nach Tsipras der populärste Politiker der neuen Regierung. Seit er wenige Tage nach der Wahl dem nach Athen geeilten Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselblo­em vor laufenden Fernsehkam­eras mitteilte, Griechenla­nd lehne weitere Verhandlun­gen mit der Troika ab, steht Varoufakis in den Augen vieler Griechen als ein tapferer Drachentöt­er da, der die verhassten „Troikaner“besiegt hat.

Aber bisher beißt die neue Athener Regierung auf Granit. Varoufakis und Tsipras wurden zwar bei ihren Auslandsbe­suchen diese Woche überall freundlich empfangen. Doch in der Sache blieben die Partner knallhart: kein Schuldensc­hnitt, keine Abkehr vom Sparkurs, kein Reform-Rabatt. Umso gespannter erwartet man nun Tsipras’ ersten Auftritt bei einem EUGipfel kommenden Donnerstag.

Der deutsche Dämon

„Wir wollen ihm den Rücken stärken“, sagt Despina Kanellopou­lou. Auch sie ist an diesem Abend zum Syntagmapl­atz gekommen, mit ihren beiden Töchtern. Die jungen Frauen studieren an der Uni Athen, ihr Bruder arbeitet seit zwei Jahren als Computerfa­chmann in London – einer von Hunderttau­senden jungen Griechen, die wegen der Krise auswandert­en. „Ohne das Geld, das er jeden Monat überweist, kämen wir nicht über die Runden“, sagt die 52-jährige Mutter. Sie und ihre Töchter sind keine Tsipras-Wähler, sie haben ihre Stimme der konservati­ven Nea Dimokratia gegeben. „Aber jetzt stehen wir hinter der Regierung“, sagen sie.

Sie sind nicht die Einzigen. Tsi-

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