Fusioniert: Liebe bis Vernunft
Fast die Hälfte der Gemeinden wurde per 1. Jänner zusammengelegt. Ein Stimmungsbild aus dem Aichfeld.
288statt 542: Mit 1. Jänner sind viele steirische Gemeinden größer, ihre Anzahl damit deutlich kleiner geworden. Wie es den einzelnen Kommunen ein paar Monate später, nur wenige Tage vor den Gemeinderats- und wenige Monate vor den Landtagswahlen damit geht, das haben wir uns exemplarisch im Aichfeld angeschaut.
Fusion, die Erste
Die Stadt Judenburg fusionierte mit den Kleingemeinden Oberweg und Reifling – in der Großgemeinde leben nun 10.072 Menschen. „Reifling und Oberweg haben schon seit jeher die Infrastruktur von Judenburg genutzt“, erklärt Hannes Dolleschall, früher Bürgermeister der Stadt, nun Regierungskommissär (siehe auch Interview links). „Wir hatten etwa schon einen gemeinsamen Standesamts-, Staatsbürgerschafts-, aber auch Feuerlöschverband.“Auch die Müllabfuhr und die Schneeräumung durch Bauhof und teils Private wurden bis dato schon gemeinsam organisiert – Herausforderungen gibt es trotzdem, wie Dolleschall bestätigt: „Wir haben bisher unterschiedliche Gebühren eingehoben. Das müssen wir uns anschauen.“
Die Prämie von 50.000 Euro, die das Land Steiermark an jene Gemeinden überwies, die freiwillig fusionierten, haben alle drei Orte schon verbraucht: „Wir in Judenburg haben das Geld in Straßen und andere Infrastrukturprojekte investiert.“Auch die neuen Ortsteile hätten das Fusionszuckerl bereits umgesetzt. Kommissär Dolleschall
Fusion, die Zweite
Deutlich anders ist das Bild in der neuen Großgemeinde St. Margarethen/St. Lorenzen/Rachau bei Knittelfeld mit ihren 2704 Einwohnern. Bei einer Bürgerbefragung im Dezember 2012 stimmten 89,7 Prozent der Einwohner von St. Margarethen für die Eigenständigkeit. Die wirtschaftlich stabile Gemeinde sprach sich klar gegen die Fusion mit den ver- schuldeten Nachbarorten aus. Der damalige Bürgermeister Roland Pucher hoffte ob des eindeutigen Votums auf eine Revision der Pläne. Auch in St. Lorenzen bei Knittelfeld stimmten die Bewohner für die Eigenständigkeit. Die drei Gemeinden wurden schließlich zwangsfusioniert, Bürgermeister Pucher trat aus Protest zurück.
Wie sich das auf die kommenden Wahlen auswirken wird, bleibt abzuwarten. Das bisherige Abstimmungsverhalten in den drei Orten lässt jedenfalls wenige bis gar keine Prognosen zu: Nach den Gemeinderatswahlen 2010 wurde St. Margarethen von der SPÖ, St. Lorenzen von einer Namensliste und Rachau von der ÖVP regiert. Nun treten vier Parteien an: die SPÖ mit Erwin Hinterdorfer, die ÖVP unter Kurt Maitz, die FPÖ mit Manfred Felser und die „Jugendvolkspartie Sonja“mit Sonja Rauscher – eine Besonderheit, ist doch die Spitzenkandidatin erst 18 Jahre alt. Ihre Motivation: „Mir ist wichtig, dass die Jugend mitreden kann.“Sie will unter anderem ein Gemeindetaxi für Jugendliche einführen – und für Pensionisten.