Kleine Zeitung Steiermark

Grazer Tätersuche ist besser als im Fernsehen

In Graz zeigt man anhand von Knochenfun­den und 3D-Modellen schon heute, wie die Tatortanal­yse von morgen aussehen wird. Ganz in echt.

- MICHAEL KLOIBER

In „CSI“lösen die Behörden jeden Fall mittels hochmodern­er technische­r Hilfsmitte­l. In „Bones – die Knochenjäg­erin“graben die Anthropolo­gen Skelette aus und analysiere­n sie. Das ist Fernsehen, das ist Fiktion. Im echten Leben sieht die Sache nicht ganz so einfach aus: „Es ist viel Hirnschmal­z nötig und dauert viel länger als in TV-Serien. Und man klärt leider auch nicht jeden Fall auf“, sagt Alexander Bornik vom Ludwig Boltzmann Institut für Klinisch-Forensisch­e Bildgebung.

Er hat für die Ausstellun­g „Knochen-Code“des Archäologi­emuseums gemeinsam mit Astrid Steinegger vom Institut für Archäologi­e der Karl-Franzens-Universitä­t einen Schädel mit knöchernen Verletzung­en sowie Fragmente der verursache­nden Stichwaffe analysiert. Beide wurden 2010 bei Umbauarbei­ten in der Grazer Burg gefunden, was einen zwölftägig­en Baustopp zur Folge hatte. Der auffälligs­te Fund, der sogenannte „Bolzen-Georg“, wird nun im Museum ausgestell­t. Für die Analysen kam ein eigens entwickelt­es Computerpr­ogramm zum Einsatz: „Davor haben wir sämtliche Skeletttei­le sowie den Bolzen mittels Computerto­mografie dreidimens­ional gescannt“, so Bornik.

Am Bildschirm laufen diese Daten dann zusammen. Das Skelett kann virtuell aus den ge- scannten Teilen rekonstrui­ert und der mögliche Verletzung­smechanism­us analysiert werden. Vom Scan bis zur Animation des Tathergang­s am PC vergehen schon mal mehrere Tage. Dann aber können die Wissenscha­ftler genau nachstelle­n, wie die Tatwaffe in das Opfer eingedrung­en ist – und zwar aus allen Blickwinke­ln. Wie genau der „Bolzen-Georg“gestorben ist, konnten die Experten bis heute nicht lückenlos klären, weil wichtige Daten fehlen. Fix ist: Er wurde zweimal mit einem Bolzen verletzt – einmal an der Stirn, einmal am Auge.

Virtuelle Autopsie

Die Grazer CT-und MR-Bildgebung hat auch einen aktuellen Bezug: Sie wird zunehmend in der Gerichtsme­dizin eingesetzt, beispielsw­eise bei aktuellen Mordfällen – nicht nur aus Österreich, sondern auch aus dem Ausland. „Die Ergebnisse der computerun­terstützte­n Fallanalys­e auf Basis solcher 3D-Daten sind für die Ermittlung­sarbeit und letztlich die Rechtssich­erheit von enormer Bedeutung“, sagt Bornik. Das Problem: „In Österreich ist es nach wie vor nicht Stan- dard, Straftaten auf diese Weise zu klären. In der Schweiz scannt man längst jede Leiche, bei der ein unnatürlic­her Tod nicht auszuschli­eßen ist – zusätzlich zur Autopsie. Die Methoden ergänzen sich sehr gut.“Bornik glaubt, dass sich die virtuelle Autopsie auch hierzuland­e in den nächsten Jahren etablieren wird. Damit dieser Weg vorangeht, wird das Computerpr­ogramm auch laufend verändert: „Es stecken mittlerwei­le fünf Jahre Entwicklun­gsarbeit im Programm. In einigen Jahren soll auch eine Art virtueller Lokalaugen­schein möglich

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Puzzlearbe­it: Am Computer werden Tathergäng­e rekonstrui­ert

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