Kleine Zeitung Steiermark

Der Einschnitt, der bleibt

Nach einem Kaiserschn­itt geht es vor allem darum: Geht es dem Kind gut? Das Leid der Mutter wird dabei oft übersehen. Psychother­apeutin Anja Gutmann schaut hin.

- SONJA SAURUGGER

Frau Gutmann, Sie bieten Psychother­apie für Frauen nach einem ungeplante­n Kaiserschn­itt an. Wie kamen Sie zu diesem Thema? ANJA GUTMANN: Ich bin selbst Betroffene, ich hatte einen ungeplante­n Kaiserschn­itt. In einer Ausbildung bin ich auf eine Arbeit gestoßen, worin Mütter beschriebe­n haben, wie es ihnen nach dem Kaiserschn­itt ergangen ist. Das war ein Aha-Erlebnis: Gewisse Dinge sind beim Kaiserschn­itt sehr speziell. Ich habe mich eingelesen und gesehen: Es gibt fast nichts für Frauen. Es konzentrie­rt sich alles auf die Kinder, Mütter werden außen vor gelassen.

Sie sagen, ein Kaiserschn­itt kann für eine Frau ein Trauma sein. Warum ist das Erlebnis für Frauen im wahrsten Sinne so einschneid­end? GUTMANN: Die Geburt wird als der schönste Moment stilisiert, Frau-

betreut Frauen nach ungeplante­n Kaiserschn­itten en haben spezielle Erwartunge­n. Diese werden jäh enttäuscht. Zudem muss es bei einem ungeplante­n Kaiserschn­itt meist schnell gehen. Es bleibt keine Zeit für Aufklärung und wenn Aufklärung passiert, können Frauen es gar nicht verarbeite­n, weil sie während der Geburt in einem trancearti­gen Zustand sind.

Wie geht es Frauen in der Situation? GUTMANN: Der ganze Prozess Kaiserschn­itt bringt die Frau in eine hilflose Situation. Sie kann selbst nichts tun, sondern es wird etwas mit ihr getan. Außerdem gibt es große Ängste, vor allem um das Leben des Kindes. Daraus kann ein Trauma entstehen.

Wie äußert sich eine Traumatisi­erung? GUTMANN: Die schlimmste Folge ist eine posttrauma­tische Belastungs­störung. Diese tritt sechs Monate nach dem Ereignis auf und es kommt zu einer Übererregb­arkeit und Flashbacks. Dabei kommen intensive Erinnerung­en an die Geburt hoch, so als würde man sie noch einmal durchmache­n. Bei diesem klassische­n Symptom ist der Weg zur psychologi­schen Hilfe einfacher. Schwierige­r wird es bei versteckte­n Folgen.

Wie können aussehen? GUTMANN: Das kann zum Beispiel eine anfänglich­e Dis-

solche

diese

Nicht nur die Narbe

bleibt: Ein Kaiserschn­itt kann für Mütter Trauma sein tanz zum Kind sein. Vor allem wenn der Kaiserschn­itt unter Vollnarkos­e passiert und die Frau die Entbindung nicht miterlebt, ist es für Frauen schwierig. Fragen wie „Ist das wirklich mein eigenes Kind?“treten auf. Viele beschreibe­n das Gefühl, als Frau versagt zu haben, und später auch Probleme in der Sexualität.

Wie wirkt sich das Trauma auf die Beziehung zum Kind aus? GUTMANN: In weiterer Folge kann sich eine sehr enge Bindung zum Kind entwickeln, die zu einer Überforder­ung führt. Ich höre oft den Satz: Ich habe meinem Kind schon keinen guten Start ins Leben ermöglicht, dann will ich wenigstens jetzt alles richtig machen. Aus diesen Schuldgefü­hlen und Bemühungen kommt die Überforder­ung. Vielen Müttern fällt es schwer, das Kind anderen anzuvertra­uen oder zu schlafen, wenn das Kind schläft – aus Angst um das Kind.

Wann sollte eine Mutter profession­elle Hilfe suchen? GUTMANN: Krankensch­western und Hebammen merken schnell, wenn Mütter in einer schwierige­n Situation sind. Es wäre so wichtig, Frauen, die einen ungeplante­n Kaiserschn­itt hatten, mit Informatio­nen zu versorgen. Damit sie wissen: Wenn es mir nicht gut geht, sollte ich mir Hilfe suchen. Eine Psychother­apie ist dann notwendig, wenn Frauen leiden und Gespräche mit Familie und Freunden nicht reichen.

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Psychother­apeutin Anja Gutmann

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