Kleine Zeitung Steiermark

„Ich lag da und konnte nichts tun“

Sylvia Dreisiebne­r erlebte einen ungeplante­n Kaiserschn­itt. Die Erinnerung daran wühlt sie auch nach 13 Jahren noch auf.

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Bei der Geburt meiner ersten Tochter hieß es plötzlich: Es geht nur mit Kaiserschn­itt. Alles, was ich mir vorgestell­t hatte – das Kind natürlich zu gebären, es auf meinen Bauch zu legen, zu kuscheln –, gab es nicht. Ich spürte ein Ruckeln und meine Tochter war auf der Welt. Sie hielten sie mir kurz zum Gesicht, dann war sie weg. Es war eine Notsituati­on, meine Tochter war mit Sauerstoff unterverso­rgt. Alle waren in Alarmberei­tschaft, nur ich lag da und konnte nichts tun.

Danach kam ich ins Zimmer und war wie in Trance. Die Schwestern sagten mir: Ihr Kind ist im Säuglingsz­immer und Ihr Mann ist bei ihr. Aber ich wollte nichts mehr als mein Kind halten. Mein Kind war wie abgeschnit­ten und weggebrach­t. Ich habe meine Anna erst zwölf Stunden später zum ersten Mal gehalten, denn sie war im Brutkasten und ich durfte nicht aufstehen. Ich war Mutter, aber hatte mein Kind nicht. Ich habe geweint und war verzweifel­t.

Ich wusste zwar, der Kaiserschn­itt muss sein, und ich war für die schnelle Hilfe sehr dankbar. Die Vernunft wusste, das ist das Richtige. Aber verstehen tut man es nicht. In der Zeit nach der Ge- burt habe ich oft schlecht geschlafen, hatte ständig Angst, ob meine Tochter wohl noch atmet. Auch körperlich bleibt der Einschnitt: Rund um die Narbe hatte ich lange ein taubes Gefühl.

Auch nach 13 Jahren kommen die Gefühle noch hoch: Es wühlt mich auf, ich fühle mich voll hinein. Damals haben mir Gespräche mit Freunden und anderen Müttern geholfen. Ich musste den Geburtspro­zess immer wieder durcharbei­ten, um zu verstehen, was passiert war. Ich habe es immer wieder erzählt und gehofft, dass es irgendwann Sinn ergibt.

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Dreisiebne­r

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