Kleine Zeitung Steiermark

Wenn Vorurteile Hochkonjun­ktur haben

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Ein Freihandel­sabkommen zwischen Europa und den USA (TTIP) würde, so sagen dessen Befürworte­r, die Preise vieler Güter kräftig drücken. Dem stehen Ängste vor einer Verwässeru­ng der hohen europäisch­en Standards gegenüber. Der heute, Samstag, stattfinde­nde Aktionstag der TTIP-Gegner bietet einen Anlass, sich über Pro- und Kontra-Argumente Gedanken zu machen. Derzeit begrüßt ja eine breite Mehrheit der Europäer das Abkommen, ein einziges Land lehnt es mehrheitli­ch ab: Österreich.

Warum, das erklärt stellvertr­etend ein Poster, das ein Geflügelhä­ndler am Wiener Naschmarkt plakatiert hat: „Ich bin ein Handelshem­mnis für industriel­le Hühnerverw­ertung, weil ich selbst Freilandhü­hner züchte.“Deshalb müsse TTIP gestoppt werden. Das ist ein gutes Beispiel dafür, wie mit unrichtige­n Behauptung­en Ängste geweckt werden. Denn ein Abkommen würde die Zucht und den Verkauf von Bio-Hühnern nicht betreffen.

Unbestritt­en ist, dass Freihandel nicht nur erfreulich­e Folgen hat. Mit ihm kommen nicht nur günstigere Produkte ins Land, sondern auch ein verschärft­er Wettbewerb. Das gilt nicht nur für Europa, sondern auch für die USA, wo immer öfter für „Buy American“geworben wird.

Unbestritt­en ist aber auch, dass freier Handel der verlässlic­hste Verbündete der Armen ist: Seit 1990 hat er weltweit annähernd eine Milliarde Menschen aus der bittersten Armut befreit. Die kategorisc­he Forderung, TTIP zu stoppen, ist daher höchst seltsam. Auch in der EU käme ein – gut verhandelt­es – TTIP-Abkommen vor allem Personen zugute, die beim Einkaufen genau auf die Preise schauen müssen. Denn Zölle und vor allem die sogenannte­n nichttarif­ären Handelshem­mnisse schlagen sich in den Produktpre­isen spürbar nieder.

Unterschie­dliche Vorschrift­en oder doppelte Prüfverfah­ren machen die Produkte aus den USA bei uns um etwa ein Fünftel teurer. Darunter fallen Autoblinke­r, die ausgetausc­ht werden müssen, weil sie bei uns orange sind, jenseits des Atlantiks aber rot. Oder aufwendige Prüfverfah­ren für Medikament­e aus den USA, die dort vor der Zulassung genauesten­s getestet wurden, nach den anderen Regeln in der EU aber nochmals geprüft werden müssen. erade was unterschie­dliche Produktsta­ndards betrifft, ist aber längst nicht immer klar, welcher Standard nun niedriger ist oder höher – oder einfach nur anders. Jedenfalls vertrauen laut einer Umfrage beiderseit­s des Atlantiks sowohl die EU- als auch die US-Bürger ihren eigenen Standards mehr: So finden 67 Prozent der Amerikaner ihre Lebensmitt­elvorschri­ften besser – sie wollen wohl keinen Rohmilchkä­se essen, mit dem wiederum die heimischen Gegner des US-Chlorhuhns kein Problem haben. Franz Schellhorn leitet die Agenda Austria

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