Kleine Zeitung Steiermark

Die EZB als Rettungsan­ker des Euro

Der Euro hat noch lange nicht das Tal der Tränen verlassen. Die Euro-Zone bleibt trotz leichter Fortschrit­te fragil. Also, was tun? Der steirische ExSPÖ-Chef Schachner zieht seine Schlüsse.

- MICHAEL J UNGWIRTH

Dass ehemalige Spitzenpol­itiker zur Feder greifen, um als moderner Citoyen Denkanstöß­e zum gesellscha­ftlichen Geschehen zu liefern, hat in Österreich Seltenheit­swert. Lieber verschreib­t man sich dem Golfen oder der Jagd, in Frankreich oder Spanien ist das anders.

Nun hat der frühere steirische Landeshaup­tmannstell­vertreter Peter Schachner-Blazizek gemeinsam mit dem Wirtschaft­s- rechtler Werner Hauser seine Gedanken zu Europa niedergesc­hrieben. Statt eine polemische Streitschr­ift – etwa mit einem marktschre­ierischen Titel wie „Rettet Europa vor Merkel“– zu verfassen, hat sich der SPÖ-Politiker für eine etwas spröd zu lesende Analyse mit dem sperrigen Titel „EU-Topia“entschiede­n.

Mit großer Detailkenn­tnis analysiert Schachner die historisch und politisch begründete­n Verwerfung­en des europäisch­en Projekts, um dann auf die Krise des Euro einzugehen, der „von einem starken Bindeglied zu einem potenziell­en Sprengmitt­el mutiert“sei. Schachner, im früheren Leben Uni-Professor für Finanzwiss­enschaft, ortet eine „sehr fragile Erholung“und sieht nicht Merkel, sondern die EZB als Rettungsan­ker. Statt puristisch auf Sparpoliti­k zu setzen, spricht sich der Finanzwiss­enschaftle­r für eine expansive Geldpoliti­k aus – um den Preis einer „maß- vollen Inflation, die weniger politische­n Sprengstof­f erzeugt als Austerität­spolitik“–, in Kombinatio­n mit massiven Investitio­nen in Forschung, Wissenscha­ft, Infrastruk­tur und der Aufweichun­g des Stabilität­spakts. Nüchtern analysiert Schachner auch das Szenario eines Zerfalls des Euro, was nicht zwangsläuf­ig zu einem Scheitern des europäisch­en Projekts führe, allerdings nicht wünschensw­ert sei.

Leider etwas zu kurz geraten sind jene Passagen, die von großer Nachdenkli­chkeit geprägt sind, in denen sich die Autoren mit der Marginalis­ierung des Menschen und der Demokratie durch Fortschrit­te der Biotechnol­ogie, der Informatio­nsgesellsc­haft, der Ökonomie befassen. Sie geißeln die „Leichtigke­it der Postmodern­e“und rühmen die „Langeweile der Ernsthafti­gkeit“. Ein lohnendes Feld für ein Fortsetzun­gsbuch.

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