Kleine Zeitung Steiermark

Der Meister des Nichts

Mit Giselbert Hoke (87) starb einer der großen Maler des Alpen-Adria-Raumes. Der Kärntner hinterließ auch in der Steiermark tiefe Spuren seiner künstleris­chen Kraft und Kreativitä­t.

- ERWIN HIRTENFELD­ER

In seinem letzten Werkzyklus „Nada“hatte er sich ganz dem Nichts verschrieb­en, der großen Leere, der er schon früh in seinem Leben begegnet war: 1943 verlor er im Krieg seinen Bruder, zwei Jahre später musste sich der schwer verwundete Kindersold­at den rechten Arm amputieren lassen. Dass Giselbert Hoke damals auf dem Zeichentis­ch einer Kremser Schule operiert wurde, lässt sich im Nachhinein als Wink des Schicksals deuten. Noch in der Kriegsgefa­ngenschaft schuf er an einer Barackenwa­nd sein erstes größeres Gemälde, dem im Laufe eines 70-jährigen Künstlerle­bens noch zahlreiche folgen sollten. Gestern starb Giselbert Hoke im Alter von 87 Jahren im Klinikum Klagenfurt.

In seiner Kärntner Wahlheimat hatte der heimatvert­riebene Nordböhme schon früh Triumph und Niederlage erlebt. Nach dem Studium an der Wiener Kunstakade­mie gewann der Schüler von Robin Christian Andersen und Herbert Boeckl den Wettbewerb für die Gestaltung der Klagenfurt­er Bahnhoffre­sken. Die Enthüllung der an Picasso orientiert­en Szenen löste 1956 den ersten Kunstskand­al in der Zweiten Republik aus. Auf den Volksaufst­and folgten der Rauswurf aus der Wolfsberge­r Notunterku­nft und eine Odyssee, die für Hoke erst 1962 mit dem Erwerb von Schloss Saager an der Drau endete.

„Es gibt noch nicht den Zustand, dass ich dankbar bin für das, was geschehen ist“, sagte Hoke Jahrzehnte nach dem Kesseltrei­ben gegen ihn und seine Familie. Doch der Skandal brachte auch zahlreiche weitere Aufträge: für Glaswände an der Wiener Universitä­t etwa oder für einen „Sonnenturm“am Autobahnra­stplatz Twimberg.

Steiermark-Bezüge

1974 war Hoke als Professor an die Architektu­rfakultät der Grazer TU berufen worden. Er gründete und leitete im Stift Rein, für das er auch Fresken geschaffen hatte, das Institut für künstleris­che Gestaltung. Nach seiner Emeritieru­ng im Jahr 1995 blieb er weiterhin als Lehrer tätig.

Im Juni 2013 stellte er im Steiermark­hof in Graz aus und ätzte, im Rollstuhl sitzend, über seine „Palettenbi­lder“: „Nur beschissen­e Striche, oder?“Wohl wissend, dass die auf Leinwand aufgezogen­en Blätter „oder“waren – zuweilen nur in Schwarz auf Weiß, mit der spürbaren Kraft der linken Hand hineingear­beitet in das Papier. Und noch bis vor Kurzem unterricht­ete er, obwohl schon fast erblindet, an der Sommerakad­emie im Schloss Halbenrain.

Im Mittelpunk­t von Hokes vielschich­tigem Werk, das Lithografi­en ebenso umfasst wie Tapisse- riemalerei oder Architektu­r, standen vor allem Frauenakte und Landschaft­en. Letztere schuf er zum Teil in Spanien, Peru oder in seinem toskanisch­en Sommerdomi­zil. In seinem letzten Lebensjahr­zehnt reduzierte­n sich seine Bilder auf das Wesentlich­ste, wurden zu reiner Malerei, die Hoke einmal so beschrieb: „Man mag nix, man spürt nix, man liebt nix, man hasst nix – und dann wird für einen das Nix zu Etwas.“

Nur wenige Tage nach dem Italiener Giuseppe Zigaina und dem Slowenen Jozˇe Ciuha ist nun ein weiterer großer Maler des Alpen-Adria-Raumes zu „Nix“geworden. Das „Etwas“, das uns der einarmige alte Mann mit dem Hut hinterließ, wird noch Generation­en erfreuen, ermutigen und bestürzen.

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„Dann wird für einen das Nix zu Etwas“:

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