Mossul wartet auf den großen
Seit genau einem Jahr befindet sich Mossul in den Händen des IS. Die Peschmerga versuchen seither, die Jihadisten zurückzudrängen.
Miktar Hassan wirkt noch benommen. Sechs Kameraden umringen das Bett des Peschmerga-Hauptmanns. „Plötzlich standen die beiden Selbstmordattentäter vor uns“, berichtet er in die Runde. Den einen konnten seine Männer erschießen, der andere zündete seine Ladung und verletzte vier der überrumpelten Verteidiger. Sekunden später tauchten wie aus dem Nichts ein Dutzend weiterer Kämpfer der Terrormiliz „Islamischer Staat“(IS) auf, die das Feuer eröffneten. Fünf Stunden dauerten die Haus-zu-Haus-Gefechte in dem Dorf Sahl al-Maleh nördlich von Tal Afar, bis die Peschmerga, die eilends US-Kampfjets hereintelefonierten, die Eindringlinge vertreiben konnten.
Offiziell gab es zehn Verwundete in den eigenen Reihen. Über die unbekannte Zahl von Toten, von denen der Rundfunk spricht, will niemand hier im Krankensaal reden. 14 Jihadisten-Leichen blieben in der Ortschaft zurück, deren arabische Bewohner dem IS bei seinem Hinterhalt geholfen haben sollen. Im Fernsehen werden Dutzende festgenommene Männer gezeigt, die auf dem Dorfplatz mit gesenkten Köpfen auf dem Boden hocken.
Miktar Hassan traf eine Kugel ins Bein, als er einen der Verwundeten in Deckung ziehen wollte. Anderthalb Autostunden ist die helle, große Notaufnahme für Peschmerga-Kämpfer im TawariHospital von Dohuk von der Front entfernt. Zwischen den zwanzig Betten wimmelt es von Angehörigen und Ärzten.
1200 Peschmerga sind bisher im Kampf gegen den IS gefallen, 5000 wurden verwundet. Nach eigenen Angaben haben die Kurden inzwischen 20.000 Quadratkilometer zurückerobert, auch wenn sie beim ersten IS-Ansturm im Sommer 2014 in der NiniveEbene genauso kopflos davonrannten wie ihre Waffenbrüder von der irakischen Armee. „Dieser Krieg kam für uns wie aus heiterem Himmel, inzwischen haben wir uns auf den Gegner besser eingestellt“, argumentiert Peschmerga-Minister Sayid Qadir Mustafa, der um die Schwächen seiner Streitmacht weiß.
Ein Jahr lang befindet sich die zweitgrößte irakische Stadt in der Hand der Terrormiliz. Mehr als drei Millionen Iraker sind aus ihren Häusern vertrieben worden, die Hälfte hat in dem halbautonomen kurdischen Norden Schutz gesucht. Und anders als bei früheren Krisen ist völlig unabsehbar, wie lange das nervenzehrende Exil diesmal dauern wird. Denn solange IS die ZweiMillionen-Metropole beherrscht, können die Vertriebenen nicht zurück und werden die Angriffe auf Peschmerga-Stellungen anhalten. „Die Befreiung von Mossul ist wichtig für die Zukunft des Irak und sie ist genauso wichtig für uns Kurden“, sagt Mustafa.
Doch die Aussichten für eine Rückeroberung im Herbst, wie sie die Regierung in Bagdad angekündigt hat, schwinden. Die Armee ist nach den Rückschlägen in Ramadi demoralisiert. Auch entlang der Front im Norden wird klar, wie schwierig das Unterfangen sein wird. Sämtliche Dörfer in der ehemaligen Kampfzone