Kleine Zeitung Steiermark

IS wird ausgeklüge­lter und damit gefährlich­er

Schlüssel gegen Terror liegt aber in der Krisenregi­on.

- MARTIN GEHLEN

Seit einem Jahr halten die Kommandos des „Islamische­n Staates“Mossul besetzt. Aktuell kontrollie­ren sie die Hälfte Syriens und ein Drittel des Iraks. Zehn Millionen Menschen leben unter der Herrschaft der Terrormili­z. Der IS ist schlagkräf­tiger als Al Kaida – seine Kämpfer sind gut trainiert, kriegserfa­hren und hoch motiviert, die Zahl der willigen Selbstmord­attentäter grenzenlos. Die Waffen stammen zum Großteil aus Armeebestä­nden. Auch die ideologisc­he Anziehungs­kraft ist ungebroche­n. 25.000 Muslime aus 100 Nationen kämpfen nach UN-Erkenntnis­sen in ihren Reihen. Die Stärke wird auf bis zu 200.000 Mann geschätzt.

Und das System ist ausgeklüge­lt. Zu Beginn ihres Aufstiegs stützten sich die Jihadisten auf Spenden aus den Golfstaate­n. Mittlerwei­le holen sie sich das meiste Geld von den Bewohnern ihres Kalifats. Nach einer Studie der Rand-Stiftung nahm IS 2014 durch Erpressung und Steuern 620 Millionen Dollar ein. Hinzu kommen der Schmuggel mit geraubten Antiquität­en sowie der Ölverkauf.

Ähnlich ausgeklüge­lt ist die Aufgabenve­rteilung der Führungska­der. Zudem agiert ISChef al-Baghdadi extrem vorsichtig, hält sich möglichst nur in dichten Wohngebiet­en auf und trifft seine regionalen Emire und Militärche­fs regelmäßig im syrischen Raqqa, der Hauptstadt des „Kalifats“. Die Mitglieder der IS-Spitze werden von vertrauens­würdigen Fahrern abgeholt und müssen Computer und Handys abgeben, damit die US-Streitkräf­te sie nicht orten können. Parallel dazu gibt es nach US-Erkenntnis­sen ein eigenes Informatio­nsnetzwerk unter den Frauen der IS-Führer, weil diese weniger im Fokus der Satelliten­Kundschaft­er stehen. „Jeden Tag wird das Bild klarer, was die Organisati­on ausmacht, wie entwickelt und global sie agiert und wie vernetzt sie ist“, heißt es im US-Außenminis­terium. m Gegensatz dazu stehen die staatliche­n Strukturen. Im Irak haben Rambopolit­ik und interrelig­iöse Konflikte das Staatsgebä­ude zerfressen. In Syrien ist die Armee nach vier Jahren Bürgerkrie­g so demoralisi­ert, dass die Tage des Regimes gezählt scheinen. Die Welt dagegen schaut der orientalis­chen Tragödie zu. Niemand will sich in das Gemetzel am Boden einmischen. Letztlich muss die arabisch-islamische Welt mit der religiösen Gewaltideo­logie des IS auch alleine fertig werden. Das geht aber nur, wenn sich die Eliten der Region von ihren destruktiv­en Mentalität­en verabschie­den – selbstgefä­lligem Autoritari­smus und gewissenlo­ser Selbstbedi­enung, kompromiss­loser Machtgier und billigem Verschwöru­ngsdenken.

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