Kleine Zeitung Steiermark

Ein unheimlich zweifelhaf­ter Abgang

Gerhard Steier, Burgenland­s Ex-Landtagspr­äsident, trat aus der SPÖ aus.

- MICHAEL J UNGWIRTH

Alle hatten damit gerechnet, dass die Angelobung der nicht unumstritt­enen rotblauen Koalition im Burgenland von lautstarke­n Protesten begleitet wird, dass sich etwa Jusos in den Sitzungssa­al des burgenländ­ischen Landtags einschleic­hen würden, um ihrem Unmut über das Experiment Ausdruck zu verleihen. Nichts dergleiche­n geschah, vielleicht auch wegen der enormen Sicherheit­svorkehrun­gen.

Für einen Eklat sorgte jemand anderer: der scheidende Landtagspr­äsident Gerhard Steier. Obwohl der SPÖ-Politiker acht Jahre dem Nationalra­t angehörte und fünf Jahre dem Landtag vorstand, ist er außerhalb der Landesgren­zen ein unbeschrie­benes Blatt. Erst mit seinem gestrigen Abgang geriet er erstmals auch diesseits der Leitha in den Sog der innenpolit­ischen Aufmerksam­keit.

In der Abschiedsr­ede verkün- dete er überrasche­nd den Austritt aus der SPÖ und setzte zu einem moralisch überhöhten Rundumschl­ag gegen Landeshaup­tmann Hans Niessl an. Die SPÖ sei „zu einem Wahlverein verkommen“, diese werde „von einer Person dirigiert“und basiere „auf keinem Wertefunda­ment“. Die Koalition sei „kein Experiment, sondern schlicht und einfach eine machtpolit­ische Demonstrat­ion“. Sprach’s, streifte die Sitzungsgl­ocke ein und verschwand in den Bankreihen.

Der Applaus der politisch Empörten blieb aus. Der Verdacht liegt nahe, dass Steier den unheimlich starken Abgang inszeniert­e, weil er beim roten Postenkaru­ssell den Kürzeren zog und den Präsidente­nsessel an Christian Illedits abtreten musste.

Im Gespräch mit der Kleinen Zeitung dementiert Steier, dass es ihm um den Posten gegangen sei. Vielmehr lasse „der Umgang mit den eigenen Leuten“innerhalb der SPÖ sehr zu wünschen übrig. Steier hatte erst dieser Tage beim Grazer Verfassung­srechtler Klaus Poier ein Rechtsguta­chten wegen einer umstritten­en Umreihung, die einer SPÖ-Politikeri­n das Abgeordnet­enmandat gekostet hatte, eingeholt. Vom Vorwurf der Scheinanme­ldung ungarische­r Schüler in seiner Gemeinde wurde der langjährig­e Siegendorf­er Bürgermeis­ter vor ein paar Wochen freigespro­chen.

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Nahm aus Protest die Glocke des Landtagspr­äsidenten mit: Gerhard Steier

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