Ein unheimlich zweifelhafter Abgang
Gerhard Steier, Burgenlands Ex-Landtagspräsident, trat aus der SPÖ aus.
Alle hatten damit gerechnet, dass die Angelobung der nicht unumstrittenen rotblauen Koalition im Burgenland von lautstarken Protesten begleitet wird, dass sich etwa Jusos in den Sitzungssaal des burgenländischen Landtags einschleichen würden, um ihrem Unmut über das Experiment Ausdruck zu verleihen. Nichts dergleichen geschah, vielleicht auch wegen der enormen Sicherheitsvorkehrungen.
Für einen Eklat sorgte jemand anderer: der scheidende Landtagspräsident Gerhard Steier. Obwohl der SPÖ-Politiker acht Jahre dem Nationalrat angehörte und fünf Jahre dem Landtag vorstand, ist er außerhalb der Landesgrenzen ein unbeschriebenes Blatt. Erst mit seinem gestrigen Abgang geriet er erstmals auch diesseits der Leitha in den Sog der innenpolitischen Aufmerksamkeit.
In der Abschiedsrede verkün- dete er überraschend den Austritt aus der SPÖ und setzte zu einem moralisch überhöhten Rundumschlag gegen Landeshauptmann Hans Niessl an. Die SPÖ sei „zu einem Wahlverein verkommen“, diese werde „von einer Person dirigiert“und basiere „auf keinem Wertefundament“. Die Koalition sei „kein Experiment, sondern schlicht und einfach eine machtpolitische Demonstration“. Sprach’s, streifte die Sitzungsglocke ein und verschwand in den Bankreihen.
Der Applaus der politisch Empörten blieb aus. Der Verdacht liegt nahe, dass Steier den unheimlich starken Abgang inszenierte, weil er beim roten Postenkarussell den Kürzeren zog und den Präsidentensessel an Christian Illedits abtreten musste.
Im Gespräch mit der Kleinen Zeitung dementiert Steier, dass es ihm um den Posten gegangen sei. Vielmehr lasse „der Umgang mit den eigenen Leuten“innerhalb der SPÖ sehr zu wünschen übrig. Steier hatte erst dieser Tage beim Grazer Verfassungsrechtler Klaus Poier ein Rechtsgutachten wegen einer umstrittenen Umreihung, die einer SPÖ-Politikerin das Abgeordnetenmandat gekostet hatte, eingeholt. Vom Vorwurf der Scheinanmeldung ungarischer Schüler in seiner Gemeinde wurde der langjährige Siegendorfer Bürgermeister vor ein paar Wochen freigesprochen.