Eine anarchische Heimat
In Tragöß wird gerade der TV-Film „Irenes Bruder“gedreht. Ein Besuch.
Sind die Pelargonien, der entzückende Dorfgreißler, die Kegelbahn, Männer in Trachtenjankern oder das rostreife Motorrad echt oder nur Requisit? Das weiß man nicht sofort.
Denn Tragöß-Oberort, lange hinter Bruck an der Mur, wirkt ein bisschen aus der Zeit gefallen – auch ohne den TV-Tross. Derzeit ist das idyllische 995-SeelenDorf mit dem Kirchturm vor schroffer Bergkulisse Drehort für die ORF/ZDF-Produktion „Irenes Bruder“, die Fortsetzung des romygekrönten TV-Dramas „Die Fremde und das Dorf“, das bei der ORF-Premiere im Schnitt 805.000 Zuseher hatte.
Drehbuchautorin Konstanze Breitebner war selbst ein bisschen überrascht über den großen Erfolg des düsteren Heimatfilms, der eine „unglaubliche Resonanz“beim Publikum provozierte: „Viele Leute sprachen mich an und sagten, das sei genauso wie bei ihnen.“Auch dieses Mal steht das Schweigen über Gewalt in der Familie im Fokus. Obwohl ursprünglich keine Fortsetzung geplant war, empfahl sich Breitebner schon damals eine Schauspielerin besonders: Franziska Weisz. Nun rückte sie ihre Figur ins Zentrum: „Diese zarte und doch so kraftvolle junge Frau irritiert im ersten Moment durch eine scheinbare Kälte.“Der Film lüftet ihr Geheimnis und erzählt, warum sie so geworden ist.
Weisz, neue „Tatort“-Kommissarin, freute sich, dass sie, nachdem sie davor „viertes Rad einer Dreiecksbeziehung“war, nun die Hauptrolle („ein Glücksfall“) mimt. Sie spielt Irene, eine junge resche Bürgermeisterin, die mit den Gemeindefusionen kämpft. „Ich hoffe, dass wir mit dem Film Vorreiter sind“, sagt sie. Denn sie schlage sich gut als Ortschefin.
Für Regisseur Peter Keglevic ist die Gegend um Tragöß per- fekt: „Wir sind in der Welt und trotzdem ganz weit draußen.“Die Bildsprache, die Berge im Rücken, symbolisiere die „Versteinerung der Seelen“in der Geschichte. Er lehnt übrigens den verkitschten Heimatbegriff der Gegenwart ab, sondern orientiert sich an jenem der 50er, als Heimat „anarchisch, natürlich“war.
Ideen für Teil drei
Der Film ist mit August Schmölzer, Harald Schrott, Sissy Höfferer, Michael Menzel, David Christopher Roth oder Max von Thun wieder hochkarätig besetzt. Über einen dritten Teil wurde schon geredet. „Ich hätte schon eine Idee für ein Drehbuch im Kopf“, sagt Autorin Breitebner. Video. Interviews mit Schauspielern, und Drehmomente aus Tragöß: www.kleinezeitung.at/kultur