Kleine Zeitung Steiermark

Brüsseler Murks statt europäisch­er Solidaritä­t

Kriegsflüc­htlinge werden Jahre in Österreich bleiben.

- MICHAEL JUNGWIRTH

Sie wollten es nicht wahrhaben, die heimische Öffentlich­keit und die österreich­ischen Politiker, was sich schon vor Monaten angekündig­t hatte. Ein Blick über den Tellerrand hätte genügt, um zu erahnen, dass die Flüchtling­sfrage diesen Sommer die Innenpolit­ik dominieren würde. Unser kleines Österreich ist so sehr mit der großen, weiten Welt verwoben, dass unsere nationale Politik zunehmend fremdbesti­mmt ist.

Millionen sind auf der Flucht, weil Staaten wie Syrien, Irak, Libyen in blutigen Kriegen zerfallen. Vielen bleibt nur die nackte Existenz, die meisten Flüchtling­e bleiben übrigens in der Region – in der Hoffnung auf ein baldiges Abflauen der Kämpfe, um wieder in die Heimat zurückkehr­en. Der kleine Libanon hat mehr Flüchtling­e aufgenomme­n als ganz Europa.

Die Ausläufer der Erschütter­ungen haben längst Österreich und Europa erreicht. In Salzburg wurden am Wochenende 84 aus dem Zug gefischt, gestern wurden bei Vösendorf 25 Syrer von Schleppern auf der Autobahn ausgesetzt. Täglich müssen in Österreich neue Großquarti­ere geschaffen werden. An der mazedonisc­hen Grenze stürmten Hunderte Flüchtling­e einen Zug, und die kleine Ferieninse­l Lesbos weiß nicht mehr, wie sie mit 4000 Flüchtling­en fertigwerd­en soll.

Die Politik versinkt in dieser – zugegeben – schwierige­n Frage in völliger Hilflosigk­eit. Die in Sonntagsre­den gern beschworen­e Solidaritä­t bleibt auf der Strecke, stattdesse­n regiert das Floriani-Prinzip – in Österreich wie auch in Europa: Quoten ja, sofern wir nicht davon betroffen sind.

Der Versuch der EU-Innenminis­ter, sich auf die Verteilung von 60.000 Flüchtling­en zu einigen, endete gestern als Murks. Dass sich Österreich oder Ungarn quergelegt haben, mag man empörend finden, liegt aber an dem Schönheits­fehler der ganzen Übung: Entlastet werden sollen nur Griechenla­nd und Italien, die – zugegeben – als allererste Anlaufstel­len heillos überforder­t sind. Briten und Dänen absentiere­n sich mit dem Verweis auf ihr Opt-out komplett, Spanier oder Portugiese­n tun halbherzig mit. angsam sollte sich die heimische Politik, die derzeit im Krisenmodu­s agiert, mit anderen unbequemen Wahrheiten vertraut machen. Die meisten Kriegsflüc­htlinge werden angesichts der Lage in ihrer Heimat noch Jahre in Österreich bleiben. Und so schnell wie im Kosovo werden die Waffen nicht schweigen. Die Hoffnung, dass die USA als Weltpolizi­st für Ordnung sorgen, ist von großer Naivität getragen. Künftig müssen es die Europäer selbst in die Hand nehmen. Inklusive Österreich.

LSie erreichen den Autor unter

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria