Gefährlicher Pegelstand
Lustvoll fügt sich die Regierung Nadelstiche zu. Während draußen die Stimmung kippt.
Zwei Abgeordnete der implodierenden Neigungsgruppe „Team Stronach“finden Zuflucht bei der ÖVP. Der Klub der Volkspartei beruft eine Pressekonferenz ein und verkündet heiser vor Freude den Fang: Man sei jetzt stärkste Fraktion! Listig hat man die Mandatare von Bundes- und Nationalrat zusammengezählt. So war der Nadelstich gegen den Regierungspartner arithmetisch sauber. Wie raffiniert!
Zu klären wäre, ob er für irgendjemanden außerhalb des politischen Establishments von Belang ist. Dieses gefällt sich in den alten Machtspielchen und merkt nicht, dass man damit die Abwendung der Bürger nur noch schneller vorantreibt. Drinnen in ihrem Kokon zelebriert die politische Klasse ihre Mätzchen und Winkelzüge, während draußen der Hochwasserpegel der Frustrierten, Erzürnten und Besorgten stetig ansteigt. Hört niemand die Sirenen? Begreift diese Regierung nicht, wie gefährdet sie ist, zu gleichen Teilen, wer zu wem überläuft?
Das ungelöste Flüchtlingsproblem eskaliert. Es verändert den Aggregatzustand des Landes. Es macht etwas mit dem Land und verformt sein Antlitz. In schmerzhafter Klarheit legt die Asylfrage den Kern allen Übels sichtbar: die gegeneinander gerichteten Kräfte zwischen Bund und Ländern, zwischen SPÖ und ÖVP. Die doppelte Frontstellung macht das Land richtungslos und unsteuerbar. Bei verschleppten Reformen wie in der Verwaltung oder Gesundheit haben das die Bürger noch mit Langmut hingenommen, in der mit diffusen Ängsten unterlegten Asylfrage hingegen führen Blockade, Hader und Untätigkeit zu Ausbrüchen von Zorn und Auflehnung, die weit in die Mitte der Gesellschaft hineinreichen.
Das formlose, schwellenlose Medium des Internets verstärkt den Sog. Er führt hinunter in das Kellergeschoß der schlechten Eigenschaften. Im
einerlei, Schutz der Anonymität wird die dünne Schutzhülle des Zivilisatorischen porös. Das Rohe bricht hervor, das Unsägliche wird wieder sagbar. Es ist gut, dass Gerichte, Arbeitgeber und Medien Wälle errichten. irksam können sie freilich nur sein, wenn die Politik in der Asylfrage zu Geschlossenheit findet. Der Zustrom muss reguliert und gestaltet werden. Das ist der Wille vieler. Wenn zwei Drittel der Gemeinden Flüchtlinge nur aus den Medien kennen, sind auch die Bürgermeister gefordert. Die Starken sind die, die den Menschen Ängste nehmen können, und nicht jene, die die Ängste für ihre Macht benötigen. Das gilt für alle. Bund, Land und Gemeinden müssen rasch eine Allianz bilden, um das, was machbar und zumutbar ist, zu ermöglichen. Was jetzt zählt, ist die Klubstärke der Vernunft.
WSie erreichen den Autor unter