Unterwegs im „milden Kurdistan“
Die Kurden werden bedrängt von IS und türkischer Armee. Im Nordirak verteidigen sie ihre in den letzten Jahren aufgeblühte Region. Hans-Joachim Löwer zeigt farbenprächtig ihren Aufbruch.
Das „wilde Kurdistan“tragen Karl-May-Fans dauerhaft im Herzen. Das mittlerweile „milde Kurdistan“ist real, und es hat in Hans-Joachim Löwer einen versierten Fürsprecher und Chronisten gefunden: Der langjährige Auslandsreporter bereiste im Vorjahr die autonome Region Kurdistan im Norden des Irak – jenes Gebiet, dessen 5,3 Millionen Bewohner nach der brutalen Unterdrückung unter Saddam Hussein in den vergangenen Jahren einen einzigartigen Wirtschaftsboom zustande brachten. „Die Stunde der Kurden“nennt Löwer seinen Reportagenband: Es zeigt den entschlossenen Versuch der nordirakischen Kurden, das Beste aus ihrer Chance zum dauerhaften Aufschwung inmitten einer von Gewalt zerfressenen Region zu machen.
Die Hürden sind gewaltig: Der Krieg in Syrien und Irak, besonders die Gefahr durch die Terror- miliz IS, ist gerade derzeit wieder allgegenwärtig: Mit Unterstützung der US-Luftwaffe stellen sich die kurdischen Peschmerga den radikalen Islamisten in beiden Ländern in den Weg, um ihre langersehnte Erfolgsgeschichte im Nordirak gegen die Extremisten zu verteidigen. Als Peschmerga adeln die Kurden all jene, die für die Freiheit ihres Volkes zu den Waffen greifen. Löwer berichtet von seinen Begegnungen mit Familienvätern, die an den Verteidigungslinien gegen die Islamisten die Stellung halten – „für unsere Kinder, aber“, wie einer von ihnen sagt, „auch für euch alle im Westen“. Er leuchtet auf seiner Reise durch Kurdistan auch das Leben der Zivilisten aus – beispielsweise jenes erfolgreichen Baulöwen, der einst als Guerilla-Kämpfer sein Leben riskierte, um sich jetzt den Traum vom Leben als Unternehmer zu erfüllen. Oder die Lebensgeschichte der Kurdo Omer, die schon als junges Mädchen im politischen Widerstand gegen die Diktatur stand. Er nimmt den Leser mit auf einen Besuch zu von den Islamisten verfolgten Jesiden genauso wie auf seine Expedition zu den Ölfeldern in Kirkuk, zur Ölschutz-Polizei, die aufpasst, dass das schwarze Gold nicht den Falschen in die Hände gerät. Ein erhellendes, informatives Kaleidoskop für alle, die mehr über das heutige Kurdistan wissen wollen.