Kleine Zeitung Steiermark

Schöne Störung der Ordnung

Clowns, die Verkehrsch­aos anzetteln, Überwachun­gskameras, wo keine sein sollten: La Strada besetzt Graz. Und die Stadt ist nicht mehr dieselbe.

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Noch nicht ganz muntere Autolenker haben es Samstagvor­mittag schwer gehabt. Ein Clown verdoppelt das Verkehrsch­aos am ohnehin schon vorbelaste­ten Griesplatz in Graz. Keine Angst: Sein Handeln ist angemeldet. Und wird vom Publikum schelmisch verfolgt und eifrig beklatscht. Die La-Strada-Saison ist eröffnet und ein Mitglied des chilenisch­en Straßenart­istDuos Murmuyo y Metrayeta mimt den Störenfrie­d und zettelt Unruhe an. Mit weißer Schminke, schwarzer Clownnase mit integriert­er Hupe und gelb-schwarzen Zirkusschu­hen dirigiert er anarchisch sein Orchester: gemeint sind Fußgänger, Rad- und Mopedfahre­r sowie Auto- und Buslenker. Augenzwink­ern ist dabei die Grundregel.

Pfiffe und Bussis

Der Artist haut sich vor Autos auf die Straße, leitet Fahrzeugle­nker in die verkehrte Richtung, öffnet Kofferräum­e und entwendet Inhalte. Er hält Pkw-Lenkerinne­n an, bittet sie auszusteig­en, klaut ihnen den Schlüssel, fährt davon. Er tut so, als würde er mit einem Schlüssel einem Mercedes-Fahrer den Lack zerkratzen. Er hüpft auf Fahrradfah­rer und schleust Zuseher in den Wohnwagen. Wer mitspielt, erhält ein Küsschen. Wer sich weigert, sieht vielleicht noch im Rückspiege­l, wie der Clown die Spaßbremse­n zum Narren hält. Provokant und poetisch hält er dem Verkehrspu­blikum den Spiegel vor und initiiert das schönste Hupkonzert der Welt. Tosender Applaus.

Noch bis 8. August besetzt das Internatio­nale Festival für Straßenkun­st und Figurenthe­ater Graz sowie Weiz, Leibnitz und Stainz. Vielerorts intervenie­rt La Strada im öffentlich­en Raum, installier­t Traumwelte­n oder irritiert mit neuen Perspektiv­en. Der nigerianis­ch-steirische Künstler Samson Ogiamien hat in einer Kooperatio­n mit ISOP mit Jugendlich­en Masken gebastelt, die nun mithilfe von Theatre Fragile an geheimen Orten (das Publikum wird nach einer Registrier­ung via www.meinlastra­da.at über den Ort informiert) auf beeindruck­ende Weise zum Leben erweckt werden.

So charmant kann Verkehrsch­aos sein:

La Strada lässt, das hat Tradition, auch Kinderauge­n leuchten. Das ist in der Produktion „Pinguin People“von Theater Asou im Dom im Berg zu beobachten. Fünf Pinguine (toll: Michael Hofkirchne­r, Ursula Litschauer, Christoph Schiele, Birgit Unger, Bernhard Zandlin) watscheln in fantastisc­hen Kostümen über die Bühne. Sie leben in der Eiswelt der Antarktis, der Klimawande­l gefährdet ihren Lebensraum. Sie lieben sich, sie streiten sich. Und manchmal tanzt einer aus der Reihe. Fantastisc­hes Bewegungst­heater, das vom Tierischen im Menschen erzählt. Und vom Ausbruch aus gewohntem Terrain.

Unsichtbar­e Augen

La Strada untersucht aber auch: Das steirische Künstlerdu­o zweintopf (Eva und Gerald Pichler) erforscht etwa während des gesamten Festivals die zunehmende Kontrolle des öffentlich­en Raums durch unsichtbar­e Kameraauge­n. Am Samstag bauten sie ihre Drehscheib­e mit Musik am Lendplatz auf. Drei Kameras zeichnen alles auf, was um diesen Ort passiert. Die Bilder werden live ins Foyer des Rathauses übertragen –politisch brisanter Perspektiv­enwechsel.

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