Das „Air Race“auf vier Rädern
Die Finnland-Rallye ist die extremste Flugshow ihrer Gattung. Ein Balanceakt an der Grenze der Fahrphysik mit Qualitätssicherung.
Zu Beginn nur ein paar Kennzahlen, um sich das richtige Bild machen zu können. Ouininpohja ist eine ziemlich klassische Sonderprüfung bei der 1000Seen-Rallye. Verzeihung: bei der Neste Finnland Rally (der Sponsor hat aus Marketinggründen den alten Namen geändert). Also Ouninpohja. Bekannt wie der Col de Turini oder der Kielder Forest der ehemaligen RAC-Rallye. Eine knapp 35 Kilometer lange Schotterstraße durch den Wald. 77 Mal heben die Rallye-Autos hier ab, mit Rekordweiten um die 60 Meter, bei einem Luftstand von gut und gerne zwei Metern. Reine Flugzeit: ehrliche 33 Sekunden! Weil hier die Geschwindigkeit so knapp an der Grenze des empfohlenen 130 km/h-Schnitts liegt, wurde die Prüfung immer wieder verändert, zweigeteilt, mit künstlichen Schikanen versehen. 15:36 war am Freitag die schnellste Durchgangszeit des Franzosen Sebastien Ogier, dem Weltmeister. a befinden wir uns schon am äußersten Grenzposten der Physik. Die Fahrzustände in Finnland sind wohl die irrwitzigsten, zu denen ein Sebastien Ogier oder ein Jari-Matti Latvala – die beiden VW-Piloten machen sich den Sieg untereinander aus – fähig sind. Als fliegende Fahrdynamik-Experten mit Qualitätssicherung, die man zum Gewinnen der Finnland-Rallye braucht. Diese Instanz ist Andreas Mikkelsen, der dritte Lenkraddreher bei VW, noch nicht. Er hat den Polo gleich am ersten Gang in den Wald geworfen, standesgemäß im sechsten Gang ausgedreht. Und sein Hauptfehler soll gewesen sein, dass er vom Gas gegangen ist, wie
Des jeder normale Autofahrer in abnormalen Situationen macht. Nein, er hätte am Gas bleiben müssen, um mit dem Allrad-Effekt sein Vehikel aus der Gefahrenzone zu ziehen. ie Finnen sind besondere Spezialisten. Sie waren es auch viele, viele Jahre. Von 1951 bis 1989 haben nur Finnen diesen „Grand Prix im Wald“gewonnen. Mit ein paar Ausnahmen wie Stig Blomqvist oder Mikael Ericsson. Aber das waren Schweden. Die wurden akzeptiert, gerade noch. 1990 folgte aber der Super-Gau. Ein gewisser Carlos Sainz, ein Günstling des spanischen Hofes, hat als erster Nicht-Skandinavier in Finnland gewonnen. Die Welt stand kopf, es wird niemals mehr so sein wie früher.
Es folgten wieder Jahre der finnischen Vorherrschaft. Durch die Herren Tommi Mäkinen, Juha Kankkunen oder Marcus Grönholm. Bis sich 2008 wieder alles änderte. Dreimal hat Sebastien Loeb gewonnen, 2013 Sebastien Ogier, wieder ein Franzose. Die
Dfinnische Souveränität in diesem Volkssport, und Rallyefahren ist dem Finnen in die Wiege gelegt, war endgültig vorbei. ie Erklärungen wurden mehrfach erforscht. Bei einer Landesgröße fast wie Deutschland und nur fünfeinhalb Millionen Einwohnern hat die progressive Dorfjugend viel Platz zum Üben. Gleich neben den Hauptverkehrsrouten biegen links und rechts feinste Schotterstraßen ab, als wären sie gleich Startpunkt der nächsten Sonderprüfung. Die Fama weiß zu berichten, dass die langen Fahrten zum Milchholen zum Überprüfen der Haftungsgrenze auserkoren wurden. Dazu die geologische Besonderheit der Landschaft. Die Landmasse hebt sich immer noch. Die vielen Buckeln, Hügeln und Falten wurden nicht umfahren, sondern es ging einfach geradeaus drüber und sorgen noch heute für das Air Race. In den Senken bildeten sich die Seen, 187.888 an der Zahl, laut letzter Zählung. nd weil diese Straßen auch nicht über geeignete Auslaufzonen verfügen – es gibt nur Büsche, Birken, solide Fichten oder Felsen –, bedarf es einer gewissen Furchtlosigkeit, bei 150 km/ h den sechsten Gang einzuspannen, bevor es mit allen Vieren in der Luft Richtung Nirwana geht. Selbst ein Walter Röhrl hat es oft vorgezogen, den Finnen ihre Rallye zu überlassen und ward hier kaum gesehen. Ihnen war’s egal, heute erst recht. Sie feiern auch einen Ogier als Sieger, verdichtet im Rausch des ordentlich konsumierten Alkohols.
DUAbsprung zum kritischen Punkt. Bei