Die Flüchtlinge gehen ganz Europa etwas an
Auch die Osteuropäer müssen sich solidarisch zeigen.
Lange hat die Politik in Österreich so getan, als ob sie die Flüchtlingsströme aus Afrika, dem Mittleren Osten und vom Balkan nichts angingen. Die Tausenden Toten vor Lampedusa – eine Tragödie! Aber ein Drama vor den Küsten Italiens, also weit weg. Die desaströsen Zustände in griechischen Auffanglagern? – Eine Schande! Aber zuallererst wohl ein Versagen der wechselnden Regierungen in Athen.
Man hat es sich leicht gemacht – mit wohlfeilen Ausreden und dem Verweis auf geltendes EU-Recht, das die Hauptlast der Wanderungsbewegungen den EU-Staaten des Südens aufbürdete. Nur wenn das Massensterben im Mittelmeer jäh ins Bewusstsein der Weltöffentlichkeit rückte, wenn wieder einmal spektakulär ein Flüchtlingsboot kenterte, war die Betroffenheit groß und die politischen Verantwortungsträger gelobten, alles zu tun, um solche Katastrophen künftig zu verhindern.
In der Praxis hat Österreich gemeinsam mit Deutschland jahrelang eine Harmonisierung des Asylrechts auf EU-Ebene hintertrieben. Da mochten Italien, Zypern, Griechenland, Malta und Spanien noch so bitten und an die europäische Solidarität appellieren. Ihrer Forderung nach einer Flüchtlingsquote stieß auf taube Ohren.
Mittlerweile ruft Österreich selbst nach einer gerechten Verteilung der Lasten. Diese Kehrtwende verdankt sich weniger einer eingehenden Gewissensprüfung, sondern dem Umstand, dass das Dublin-Abkommen kollabiert ist und die Flüchtlinge nun unkontrolliert das Land erreichen. Allein heuer nahm Österreich so viele Asylbewerber auf wie 18 andere EU-Staaten zusammen.
Die Toten im Kühllastwagen und die Flüchtlingsheere am Westbahnhof sind Symptom einer Krise globalen Ausmaßes, die keine Grenzen kennt und daher nur grenzüberschreitend bewältigt werden kann. Wenn in Wien diese Erkenntnis gereift ist, dann ist das gut und richtig so. Entscheidend wird sein, ob Europa sich dazu aufraffen kann, die Flüchtlingskrise gesamteuropäisch zu lösen. urzeit dominieren die nationalen Egoismen. Neue Zäune werden errichtet, Grenzkontrollen wieder eingeführt. Jedes Land versucht, seine Flüchtlinge so rasch wie möglich wieder loszuwerden. Besonders enttäuschend ist die Totalverweigerung der Osteuropäer, die in der Vergangenheit so viel europäische Solidarität erfahren haben und jetzt so wenig Gemeinsinn an den Tag legen! Nur wer garantiert den Polen, Tschechen und Balten, dass es morgen nicht sie trifft?
Die Zeit für ein faires Quotensystem für Flüchtlinge in der EU ist so reif wie nie.
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