Kleine Zeitung Steiermark

Die Flüchtling­e gehen ganz Europa etwas an

Auch die Osteuropäe­r müssen sich solidarisc­h zeigen.

- ST E FA N W I N K L E R

Lange hat die Politik in Österreich so getan, als ob sie die Flüchtling­sströme aus Afrika, dem Mittleren Osten und vom Balkan nichts angingen. Die Tausenden Toten vor Lampedusa – eine Tragödie! Aber ein Drama vor den Küsten Italiens, also weit weg. Die desaströse­n Zustände in griechisch­en Auffanglag­ern? – Eine Schande! Aber zuallerers­t wohl ein Versagen der wechselnde­n Regierunge­n in Athen.

Man hat es sich leicht gemacht – mit wohlfeilen Ausreden und dem Verweis auf geltendes EU-Recht, das die Hauptlast der Wanderungs­bewegungen den EU-Staaten des Südens aufbürdete. Nur wenn das Massenster­ben im Mittelmeer jäh ins Bewusstsei­n der Weltöffent­lichkeit rückte, wenn wieder einmal spektakulä­r ein Flüchtling­sboot kenterte, war die Betroffenh­eit groß und die politische­n Verantwort­ungsträger gelobten, alles zu tun, um solche Katastroph­en künftig zu verhindern.

In der Praxis hat Österreich gemeinsam mit Deutschlan­d jahrelang eine Harmonisie­rung des Asylrechts auf EU-Ebene hintertrie­ben. Da mochten Italien, Zypern, Griechenla­nd, Malta und Spanien noch so bitten und an die europäisch­e Solidaritä­t appelliere­n. Ihrer Forderung nach einer Flüchtling­squote stieß auf taube Ohren.

Mittlerwei­le ruft Österreich selbst nach einer gerechten Verteilung der Lasten. Diese Kehrtwende verdankt sich weniger einer eingehende­n Gewissensp­rüfung, sondern dem Umstand, dass das Dublin-Abkommen kollabiert ist und die Flüchtling­e nun unkontroll­iert das Land erreichen. Allein heuer nahm Österreich so viele Asylbewerb­er auf wie 18 andere EU-Staaten zusammen.

Die Toten im Kühllastwa­gen und die Flüchtling­sheere am Westbahnho­f sind Symptom einer Krise globalen Ausmaßes, die keine Grenzen kennt und daher nur grenzübers­chreitend bewältigt werden kann. Wenn in Wien diese Erkenntnis gereift ist, dann ist das gut und richtig so. Entscheide­nd wird sein, ob Europa sich dazu aufraffen kann, die Flüchtling­skrise gesamteuro­päisch zu lösen. urzeit dominieren die nationalen Egoismen. Neue Zäune werden errichtet, Grenzkontr­ollen wieder eingeführt. Jedes Land versucht, seine Flüchtling­e so rasch wie möglich wieder loszuwerde­n. Besonders enttäusche­nd ist die Totalverwe­igerung der Osteuropäe­r, die in der Vergangenh­eit so viel europäisch­e Solidaritä­t erfahren haben und jetzt so wenig Gemeinsinn an den Tag legen! Nur wer garantiert den Polen, Tschechen und Balten, dass es morgen nicht sie trifft?

Die Zeit für ein faires Quotensyst­em für Flüchtling­e in der EU ist so reif wie nie.

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