Alpbach: „Reichtum ist wie Mist“
Wirtschaftsgespräche in Alpbach stehen im Zeichen der Ungleichheit.
ALPBACH. Ungleichheit bremst Wachstum – das wäre die einfache Formel, auf die man den Eröffnungstag der Wirtschaftsgespräche in Alpbach bringen kann. Doch hinter dieser Formel wird es sehr schnell sehr kompliziert. Denn wie schon zuvor bei den politischen Gesprächen führt die Unschärfe des Begriffs „Ungleichheit“– er ist heuer das Leitmotiv in Alpbach – zu vielfältigen Missverständnissen.
So gab es zur Eröffnung eine künstlerische Darbietung, die eindrucksvoll den ungleichen Zugang der Weltbevölkerung zu Nahrung, Bildung und sozialer Sicherheit herausstrich. Neben viel berechtigter Kritik wurde dort angeprangert, dass nur wenige Prozent der Menschen einen akademischen Abschluss haben. Aber wäre es denn sinnvoll, eine „gleiche“Ge- sellschaft aus lauter Akademikern zu basteln? Dass Vielfalt, Buntheit und Individualität wichtige Gegenbilder zur Gleichheit sind, blieb im Hintergrund. Nur Wirtschaftskammer-Chef Christoph Leitl sagte: „Ungleichheit muss es geben, denn als Unternehmer muss ich mich von der Konkurrenz unterscheiden.“
„Als Haufen stinkt er“
Michael Förster, Chefanalyst der OECD, präsentierte eine Flut von Langzeitdaten, die die wachsende wirtschaftliche Ungleichheit – gemessen am verfügbaren Haushaltseinkommen – in fast allen Staaten belegen. Tenor: Die reichsten zehn Prozent verdienen heute in den OECD-Staaten rund zehnmal so viel wie die ärmsten zehn Prozent. Als Gründe nannte er die Globalisierung, den techno- logischen Wandel sowie die Veränderung des Arbeitsmarktes mit schlecht abgesicherten Jobs.
Förster forderte mehr „gute“, also abgesicherte, Arbeitsplätze. Prompt musste er sich fragen lassen, ob er in die 1970er-Jahre zurückkehren will. „Nein, ich will vorwärts in die 2020er-Jahre“, so seine Antwort. Förster hatte auch darauf hingewiesen, dass die Ungleichheit bei Vermögen viel größer ist als bei Einkommen. Eine Auflage für AK-Chef Rudi Kaske, der ankündigte, demnächst wieder über Vermögenssteuern reden zu wollen. Er zitierte Caritas-Chef Landau: „Reichtum ist wie Mist – als Haufen stinkt er, gut verteilt bringt er das Land zum Blühen.“Leitls Konter: „Neue Schröpf-Aktionen vertreiben die Mistbringer aus dem Land. Auch am Zürichsee ist es schön.“