Mehrspartenhaus, selbst finanziert
Der in Südfrankreich geborene, seit 2007 in Österreich tätige Regisseur, Schauspieler und Musiker Gilles Pugibet eröffnet im September mit Avelyn Francis und dem gemeinsamen Theater-Spielensemble ein eigenes Haus in Graz.
Herr Pugibet, wie sind Sie auf die Dreihackengasse 1 gestoßen? GILLES PUGIBET: Nach langer Suche in Graz hatten wir Glück und haben nun einen zentral gelegenen, gut erreichbaren Spielort mit ganz besonderem Flair und Klasse gefunden.
Wodurch wird sich Ihr Ensemble von anderen Grazer OffGruppen unterscheiden? PUGIBET: Wir schaffen einen Wohlfühlort mit Mehrspartenspielplan für Jung und Alt. Unser Theater wird außerdem das Basiscamp für die Gründung eines europäischen Austauschprogrammes sein, wo Jungschauspieler und Librettisten eine Chance erhalten. Theaterkurse runden das Programm ab.
Wie wird sich Ihr Theater finanzieren? PUGIBET: Nur aus eigener Tasche. Also ist diese Gründung auch ein großes Risiko. Natürlich würden wir uns über Sponsorenhilfe sehr freuen.
Was erwartet das Publikum? PUGIBET: Geniale Geschichten wie „Lola Blau“von Georg Kreisler oder „Liiiebe“von Murray Schisgal. Stücke mit guten Inhalten, Humor und individueller Regiehandschrift, die zu Unrecht selten in Österreich gespielt werden, sowie Erstaufführungen. Theater-Spielensemble. Eröffnungsfest und Spielplanpräsentation am 17. September. Dreihackengasse 1, Graz. Tel. 0699 17 08 06 78; www.theater- spielensemble. at
Sie zitieren gern den Ausseer Schriftsteller Herbert Zand, der einmal schrieb: „Kein Punkt kann als Zentrum angesprochen werden ohne die Peripherie.“Wie nehmen Sie aus der Peripherie im Gesäuse die Kulturpolitik im Zentrum Graz und in der Steiermark ganz allgemein wahr? ERNST HUBER: Ehrlich gesagt kaum, und schon gar nicht in der derzeitigen politischen Situation, in der es andere Sorgen gibt als kulturpolitische Spezifika. Vor den Gräueln, die Flüchtlinge durchmachen, darf auch die Kultur nicht die Augen verschließen, und deren Qualität hat ja noch nie gelitten, wenn sie auch einen sozialen Anspruch hat. Bei der re- gionale10 im Bezirk Liezen, an der wir hier in St. Gallen mitarbeiteten, sprachen wir auch über eine soziale Skulptur, die wir uns wünschen würden: Ein paar Flüchtlinge aufzunehmen – das wäre heute eine solche Skulptur!
Was ist von der regionale im Jahr 2010 eigentlich geblieben? HUBER: Mir tut es sehr leid, dass das zweijährige Festival nach 2012 in Murau abgeschafft wurde. Auch wenn die Chancen, die die regionale bot, in der Folge nicht genutzt wurden: Wir dachten doch intensiv darüber nach, was unsere Region ist, will und braucht. Nicht zufällig hießen Diskussionsabende über Bildung, Kultur, Sport et cetera, an denen unter anderen auch Toni Innauer teilnahm, „Land in Sicht“oder „Dorf der Zukunft“.
Was hinderte Sie denn daran, die Ideen oder Aktivitäten über 2010 hinaus fortzuspinnen? HUBER: Das ist schlicht eine Geldfrage. Wer soll das stemmen? Wir hier heroben in St. Gallen sind froh, seit 29 Jahren das wunderbare Musikfestival zu haben. Aber grundsätzlich ist es schwer, soziale Akzeptanz für Kultur auf dem Land zu finden. Anderer- seits kann mir keiner erzählen, dass die Menschen auf dem Land, die sich in vielen anderen Bereichen als so kompetent und zuverlässig erweisen, nicht zu qualifizierter Kultur erziehbar wären. Die Crux beginnt jedoch schon in der Schule, wo ein unglaubliches Ausmaß an ästhetischer Desinformation herrscht.
In der Stadt ist alles besser? HUBER: Teddy Podgorski sagte unlängst in Ö 1: „Wir brauchen mehr Urbanität.“Ich mag den Typen, aber mit solchen Sätzen vergisst er, dass man damit intellektuelle Partner auf dem Land verliert, und die gibt es zur Genüge. Da hocken nicht lauter Trotteln.
Was also tun gegen die Arroganz des Wasserkopfs, ob er nun Graz oder Wien heißt? HUBER: „Wasserkopf“ist so abgedroschen und klischeehaft. Aber natürlich merkt man, dass sich Ausrichtung und Kapazität der Arbeit nur noch auf die Zentren fokussieren – „und das Land schau ma uns eh hie und da auch amal an“. Es ist leider eine systemische Eigenschaft der Politik: Das höhere System kümmert sich nicht um das niedrigere. Es kommt kein Kaiser mehr verklei-