Kleine Zeitung Steiermark

Die Bürger handeln und die Regierung sonnt sich

Nach München durchwinke­n wird nicht genügen.

- CARINA KERSCHBAUM­ER

Sehr stolz ist derzeit Österreich­s Regierungs­spitze. Sie hat auch allen Grund dazu, auf die Bürger dieses Landes stolz zu sein, auf dieses zivile Engagement so vieler Menschen, die die Durchreise­nden in Wien, Graz, Salzburg mit Nahrungsmi­tteln versorgten und willkommen geheißen haben.

„Dank und Anerkennun­g“haben Kanzler und Vizekanzle­r ausgesproc­hen. Und sich selbst auf die Schulter geklopft über die offensicht­liche Ruhmestat, Tausende nach Deutschlan­d durchzuwin­ken. Der Kanzler, lobt selbst EU-Außenbeauf­tragte Mogherini, habe das menschlich­e Gesicht der EU gezeigt. Der Kanzler? Ein menschlich­es Gesicht zeigen Zehntausen­de Österreich­er mit Spontanhil­fe und Spenden.

So großartig das Engagement der Bürger ist, so erschrecke­nd ist jenes der Regierung, die sich fast schon wie eine Ertrinkend­e an die Forderung „faire Aufteilung in der EU“hängt. Sie selbst hat bis heute nicht einmal die Aufteilung der Asylwerber auf die Bundesländ­er im eigenen Zwergerlst­aat geschafft.

Was die Regierung derzeit bietet, ist aber auch ein Akt der Hypokrisie. Da wird auf der Welle ziviler Hilfsberei­tschaft mitgesurft, erklärt, dass ein Stacheldra­htzaun keine Empfangsst­elle für Menschen sein könne, aber fast verschämt hinzugefüg­t, dass „die EU-Außengrenz­en verstärkt werden müssen“. Also Beton statt Stacheldra­ht? Oder dass die EU mit der aktuellen Praxis „so etwas wie ein Schlepper-Förderprog­ramm“betreibe, wie Außenminis­ter Kurz erkannte. Gleichzeit­ig betont der Vizekanzle­r, Europa sei gefordert „vom Reden ins Tun zu kommen“.

Er hat dabei eine Stufe übersprung­en. Bislang wurde nicht einmal die Redeaufgab­e erfüllt. Zu dieser würde zählen, offen zu sagen, wie viele Menschen die EU maximal aufnehmen wird können, ohne eine Sprengung der Gesellscha­ft fürchten zu müssen. Oder – um bei Österreich zu bleiben – wie viele Österreich aufnehmen und integriere­n kann. as fehlt, sind offensicht­lich Mut und Weitblick, eine Festlegung zu treffen. Kann Österreich 100.000, 500.000, 800.000 aufnehmen? Eine Festlegung wäre zweifelsoh­ne ein politische­r Kraftakt, der eine Auseinande­rsetzung über Integratio­n und Kosten voraussetz­t. Es wäre damit auch die unangenehm­e Botschaft verbunden, trotz des Elends Hunderter Millionen Grenzen aus Beton oder Stacheldra­ht ziehen zu müssen. Grenzen, die Österreich übrigens bisher schon zog. Mittel für Flüchtling­s-Notquartie­re im Libanon wurden 2015 kurzerhand von 5 auf 2,5 Millionen gekürzt.

Da fehlte der Scheinwerf­er.

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