Doku sorgt für Jubel
Endlich hat Venedig einen Höhepunkt. Dennoch scheint der Wettbewerb heuer besonders an der Festival-Konkurrenz aus Übersee zu leiden.
Vielleicht hat Venedig ja doch endlich einen Favoriten im Wettbewerb um den Goldenen Löwen: Amos Gitais Film „Rabin, the Last Day“über das tödliche Attentat auf Israels Ministerpräsident Jitzchak Rabin nach dessen historischer Einigung mit den Palästinensern 1955 wurde nach seiner Festivalpremiere am Montag heftig bejubelt.
Der israelische Regisseur stellt in „Rabin“die Geschehnisse um den Mord nach und mischt nachgestellte Szenen mit Originalaufnahmen des Attentats, lässt Rabins Ehefrau Leah sowie seinen Weggefährten Schimon Peres zu Wort kommen. Und wagt die These, der Mörder sei zwar ein Einzeltäter gewesen – allerdings angestachelt durch vorhergehende Aktivitäten jüdischer Extremisten.
Aber auch wenn mit „Rabin, the Last Day“ein Siegeskandidat für die Preisverleihung am Samstag gefunden ist, scheint die Stimmung am Lido fünf Tage vor Ende des Festivals gedämpft: viel Gla- mour, wenig Klasse, so der Tenor der Kritik – etliche Weltstars sind in Venedig aufmarschiert, um ihre Filme vorzustellen, aber die Auswahl der 21 Wettbewerbsfilme scheint Festivalchef Alberto Barbera mäßig geglückt. Ihm allein ist das allerdings wohl nicht anzukreiden: Die großen Vertriebe versuchen, ihre Filme vor der Wintersaison international in die mediale Auslage zu hieven und deren Stars für die Oscars in Stellung zu bringen, da ergibt eine möglichst breite Streuung wichti- ger Premieren Sinn. Was mit erklärt, warum sich das – heuer auch noch parallel zu Venedig laufende – vergleichsweise kleine Filmfestival in Telluride (Colorado) die Uraufführungen von Danny Boyles „Steve Jobs“(mit dem entfesselten Michael Fassbender in der Titelrolle) oder Charlie Kaufmans („Adaptation“) lang erwartetes, via Kickstarter finanziertes Stop-Motion-Animationsdrama „Anomalisa“sichern konnte.
Demnächst, am 10. September, beginnt auch noch das Filmfestival in Toronto. Zwar werden dort keine Preise verliehen, als Marktplatz der Filmbranche spielt die kanadische Metropole aber längst eine größere Rolle als Venedig – und zeigt die Weltpremieren mutmaßlicher Blockbuster wie Ridley Scotts „The Martian“oder Roland Emmerichs Drama „Stonewall“. Und auch die Österreicherin Barbara Eder feiert die Weltpremiere ihres neuen Films „Thank You for Bombing“über drei Reporter in Krisenregionen in Toronto.