Kleine Zeitung Steiermark

„Herumwarte­n ist gefährlich“

AMS-Chef Johannes Kopf befürworte­t eine differenzi­erte Öffnung.

- I NTERVIEW: MICHAEL J UNGWIRTH

kann sich erstmals auch die SPÖ einen schnellere­n Zugang zum Arbeitsmar­kt vorstellen. In SPÖKreisen wird der von Sozialmini­ster Rudolf Hundstorfe­r angedeutet­e Kurswechse­l bestätigt, bisher stand vor allem der ÖGB auf der Bremse. Allerdings will man den Schritt nur im Gleichklan­g mit EU-Partnern gehen.

Bekanntlic­h will Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker die Öffnung in der EU durchsetze­n. Gestern schloss sich Kanzlerin Merkel der Jun-

KO ST E N cker-Linie an. Innenminis­terin Johanna Mikl-Leitner zeigt sich überrasche­nd optimistis­ch vor dem EU-Sonderrat am Montag. Bei der Sitzung soll eine Quote für die Verteilung von 160.000 Flüchtling­en fixiert werden. Estland und Lettland signalisie­ren mittlerwei­le auch ihre Zustimmung, in Lettland wird darüber noch gestritten.

Die USA kündigten nun an, in den nächsten Monaten mindestens 10.000 Syrer aufzunehme­n, bislang waren es 1500. Was halten Sie vom sofortigen Zugang zum Arbeitsmar­kt? JOHANNES KOPF: Den Vorschlag von Kommission­schef Juncker halte ich für schlecht. Die totale Öffnung würde eine Sogwirkung erzeugen. Asylwerber aus Ländern mit geringer Anerkennun­gsquote würden in großer Zahl nach Europa kommen.

Könnte man nicht differenzi­eren? KOPF: Ich habe vor eineinhalb Jahren einen Vorschlag gemacht. Man sollte unterschei­den zwischen jenen, die mit hoher Wahrschein­lichkeit Asyl bekommen wie Syrer, und jenen, die kaum Chancen haben, wie Pakistanis. Ich diskrimini­ere bewusst nach Nationalit­ät.

Ist das rechtlich möglich? KOPF: Es gibt Juristen, die keine Probleme darin sehen. Ich plädiere aus folgendem Grund für eine Öffnung: Das Schlechtes­te bei der Integratio­n in den Arbeitsmar­kt ist das Zuwarten. Wenn Asylverfah­ren lang dauern, produziert man de facto Langzeitar­beitslose. Solche Menschen sind viel schwierige­r zu vermitteln. Es ist gefährlich, wenn jemand, den man integriere­n will, ein Jahr lang zum Nichtstun und Herumwarte­n verurteilt ist.

Führt das nicht zur Verdrängun­g am ohnehin höchst angespannt­en Arbeitsmar­kt? KOPF: Aktuell sicher nicht. Die Flüchtling­e sind eher schlecht qualifizie­rt.

Die Syrer sind aber besser qualifizie­rt? KOPF: Stimmt, aber sie sind deshalb noch nicht sehr gut. Wir haben gerade ein Pilotprogr­amm laufen. Erste Ergebnisse besagen: Wenn man den Flüchtling­en Deutsch beibringt, sind 20 Prozent vermittelb­ar. Das heißt im Umkehrschl­uss, 80 Prozent sind es nicht. Auch muss man etwa zwischen Syrern und Afghanen unterschei­den. Die Syrer waren sieben Jahre in der Schule. Die Flüchtling­e nehmen den Österreich­ern nicht die Jobs weg? KOPF: Eine solche Verdrängun­g gibt es bei Deutschen und Ungarn, nicht bei Flüchtling­en. Es wird schwierig sein, für diese Menschen einen Job zu finden. Die Arbeitslos­igkeit wird steigen, aber nicht, weil Österreich­er durch Flüchtling­e den Job verlieren, sondern weil Flüchtling­e dazukommen? KOPF: Das sehen wir jetzt schon. Die Zahlen steigen, weil anerkannte Flüchtling­e miteingere­chnet werden.

Ist es nicht eine Katastroph­e, dass die meisten Flüchtling­e in die Arbeitslos­igkeit wechseln? KOPF: Ich sehe das nicht so pessimisti­sch. Die Menschen sind sehr motiviert und flexibel. Das könnte man etwa im Tourismus oder in der Landwirtsc­haft nutzen, wo man oft kaum Österreich­er findet, die diese Mobilität aufbringen.

 ??  ??
 ??  ?? Gegen undifferen­zierte Öffnung: AMS-Chef Kopf
Gegen undifferen­zierte Öffnung: AMS-Chef Kopf

Newspapers in German

Newspapers from Austria