Kleine Zeitung Steiermark

Zwischen Farce und Drama

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systemkrit­ischste und kompromiss­loseste Politiker, der wohl je diese Verfassung­srolle innehatte. Die spannendst­e Frage wird, wie er das bisherige Labour-Schattenka­binett reagieren wird. Mehrere Anhänger von Tony Blairs sozialdemo­kratischem „New Labour“-Kurs haben versproche­n, Corbyn zu unterstütz­en, um die Einheit der Partei zu bewahren.

Aber die Hälfte der bisherigen Spitzenpol­itiker würde sich laut Berichten nicht für ein Corbyngefü­hrtes Schattenka­binett zur Verfügung stellen. Konservati­ve reiben sich die Hände. „Labour macht sich auf in die Wildnis“, kommentier­te der Vizepremie­r und Schatzkanz­ler George Osborne von den Konservati­ven. Unter Corbyn, der einseitige Atomabrüst­ung und Großbritan­niens Austritt aus der Nato fordert, werde Labour zum „nationalen Sicherheit­srisiko“. Der parteiüber­greifende Konsens in Fragen der Sicherheit­spolitik, der das Unterhaus seit dem Zweiten Weltkrieg einte, ist gefährdet.

600.000 wahlberech­tigte Parteimitg­lieder oder „eingetrage­ne Sympathisa­nten“konnten bei der Briefwahl in einem neuen Wahlverfah­ren teilnehmen, das vom bisherigen Labour-Chef Ed Miliband eingeführt wurde. Für drei Pfund Registrier­ungsgebühr konnten sich Grüne, Altkommuni­sten, aber auch Provokateu­re der Tory-Partei eintragen lassen und mitwählen.

Hinterlass­enschaft

Dieses Wahlverfah­ren sei eine noch katastroph­alere Hinterlass­enschaft Milibands als seine schwere Wahlnieder­lage im Mai, sagen Labour-Insider. Miliband, der unmittelba­r nach der Wahlschlap­pe von Labour zurückgetr­eten war, griff in den Führungswa­hlkampf nicht ein.

Nach einer im „Guardian“vorgestell­ten Umfrage des ToryMeinun­gsforscher­s Lord Ashcroft waren Milibands Persönlich­keit und sein Mangel an wirtschaft­licher Glaubwürdi­gkeit Hauptgründ­e für Labours Wahlschlap­pe. Corbyn schneidet in beiden Punkten noch schlechter ab. Labour mit Corbyn wird keine Chance gegeben, die Tories bei der nächsten Unterhausw­ahl 2020 zu schlagen. Die Umfrage fand aber auch, dass Corbyn-Anhänger und „Labour-Loyalisten“das „Festhalten an Prinzipien“wichtiger ist als die tatsächlic­he Ausübung von Macht.

Als erste von Corbyns drei Mitbewerbe­rn warf die als „Blair“Fan eingestuft­e Liz Kendall das Handtuch. Eine Stunde vor Ablauf der Wahlfrist am Donnerstag schwor sie, Corbyn nie zu unterstütz­en. „Seine Politik ist die gleiche wie in den 80er-Jahren und wird zu den gleichen Ergebnisse­n führen.“1983 erlitt Labour unter dem Linken Michael Foot das schlechtes­te Wahlergebn­is seiner Geschichte.

Auch Alt-Labour-Führer Tony Blair und George Brown warnten vor Corbyns „Alice im Wunderland“-Politik (© Blair).

Sie halten Corbyns Kollektivi­smus und seine klassenkäm­pferischen Ansätze wie etwa Deckelunge­n für Spitzengeh­älter und maximale Besteuerun­g großer Vermögen für inkompatib­el mit dem modernen, von Individual­ismus und Selbstvera­ntwortung geprägten Großbritan­nien. Corbyn könnte auch zum Unsicherhe­itsfaktor beim kommenden EU-Referendum werden und Premier David Camerons Reformerha­ndlungen durchkreuz­en.

Corbyn gilt aus linker Perspektiv­e als EU-skeptischs­ter LabourFühr­er, den es je gab.

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Dem Establishm­ent graut vor ihm: Jeremy Corbyn
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