Alternativen zum Dublin-System
Die Ereignisse der letzten Tage haben das Scheitern des Dublin-Systems eindrucksvoll aufgezeigt. Hunderttausende haben sich heuer in Bewegung gesetzt, weil es keinen legalen Weg gibt, in die EU zu kommen. Entsprechende Anlaufstellen in den großen Flüchtlingslagern um Syrien fehlen. Mit dem Anschwellen der Zahl der Flüchtlinge sahen sich die vor allem betroffenen Länder, Griechenland, Italien und Ungarn, nicht mehr imstande, ihren rechtlichen Verpflichtungen als Erstaufnahmeländer nachzukommen. So lassen diese Staaten die Flüchtlinge großteils weiterziehen, Österreich verhielt sich zuletzt ähnlich.
Zugleich hält Österreich noch mit unverhältnismäßigem Aufwand an Dublin fest, um die zu uns gekommenen Asylwerber wieder zurückschicken zu können, obwohl diese in den Erstaufnahmeländern keine Perspektiven haben. Österreich hat dies im Fall von aus Italien kommenden Syrern in Tausenden Fällen getan. Diese wollen jedoch meist ohnedies nicht nach Österreich.
Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof wie auch der Gerichtshof der EU haben schon 2011 entschieden, dass Flüchtlinge nicht nach Griechenland zurückgeschickt werden können. Da das griechische Asylsystem schwere systemische Mängel aufweist, würden dadurch grundlegende Menschenrechte verletzt. Noch weniger kann von den aktuellen Erstaufnahmeländern eine Integration der Flüchtlinge erwartet werden, deren Mehrheit inzwischen aus Syrien stammt und damit Anspruch auf Anerkennung hat. in Instrument, das hier richtungsweisend sein könnte, ist die nach der Erfahrung mit den Balkanflüchtlingen im Jahr 2001 beschlossene Richtlinie über Mindestnormen für die Gewährung vorübergehenden Schutzes im Falle eines Massenzustroms von Vertriebenen, die Maßnahmen zur Förderung einer ausgewogenen Verteilung der Belastungen vorsieht.
Danach sind den Flüchtlingen ohne Asylverfahren temporärer Aufenthalt und Mindestrechte zu gewähren. Durch einen vom Europäischen Flüchtlingsfonds unterstützten Solidaritätsmechanismus können die Flüchtlinge über die EU-Staaten entsprechend deren Aufnahmekapazitäten verteilt werden.
Die Flüchtlinge haben das Recht, Asyl zu beantragen. Der temporäre Schutz kann bei Bedarf verlängert werden. Zwar wäre eine Verteilung mit raschen Asylverfahren nach einheitlichen Standards, wie soeben von Kommissionspräsident Juncker vorgeschlagen, vorzuziehen, doch könnte bei Nichteinigung diese Richtlinie, die in allen Mitgliedsstaaten umzusetzen war, zur Anwendung kommen. Wolfgang Benedek, Univ-Prof., Vorstand des Instituts für Völkerrecht und Internationale Beziehungen der Universität Graz, wo seit mehr als zehn Jahren ein Arbeitsschwerpunkt zum Thema Flüchtlinge besteht.
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