Wir sind Kaiser
Franz Beckenbauer feiert heute seinen 70. Geburtstag. Ein Ständchen zu Ehren des lieben Kaisers Franz B.
Leiden. Die Tragik der Kronprinzen! Da kann auch ein Kaiser verzweifeln und seufzen: „Mir bleibt auch nichts erspart!“ollen wir aber das Privatleben unseres guten Kaisers Franz (und auch seine selbst geschriebenen Bücher – „Einer wie ich“– und selbstbesungenen Schallplatten – „Gute Freunde soll niemand trennen“) den Adabeis überlassen und lieber die großen Leistungen des Feldherren und Strategen für sein Land würdigen. Denn von Gottes Gnaden wird in dieser Branche heute niemand mehr Kaiser: Dass einer im weiß-schwarzen Nationalgewand jegliches Spielgeschehen antizipiert, aus dem Stand Vierzig-Meter-Pässe auf den Rist des (alten) Müllers zirkelt und so relaxed, souverän, elegant, scheinbar ohne jede Mühe seine Mannen am Platz dirigiert, das ist Ergebnis beinharter Knochenarbeit. Gott stellt nur das Talent dazu bereit. ur so hat unser Kaiser alles erreicht, was man erreichen kann. Alles Erdreich war ihm untertan! Zuerst wurde er Weltmeister in der noch belasteten Stadt München anno 74 im finalen Duell gegen einen Johan, der es nur bis zum König brachte, als playing Captain, ohne sein weißes Shirt zu beschmutzen (das überließ er seinen Soldaten Vogts, Schwarzenbeck oder Hölzenbein …) und keine dreißig Jahre nachdem sich sein Land auf der ganzen Welt für immer un-
WNmöglich gemacht hatte. Jo, mei! Dann zog sich der Feldherr auf den Feldherrenhügel zurück und wurde non-playing Captain. Zuerst noch ein Tiefschlag, eine bittere Niederlage im fernen Mexiko (anno 86; seither fragt man sich in Monarchenkreisen: Was macht ein Kaiser in Mexiko, wo es doch hier so schön ist?). ber was einen Kaiser nicht umbringt, das macht ihn stärker! Im Kaiser steckt der Zar, und „Zar“wiederum kommt von Caesar. Deswegen wusste der Kaiser, er muss zur Krönung nach Rom, ins Heilige Römische Reich deutscher Nation gewissermaßen. Weder Maradona noch die römischen Legionen noch der Schlachtgesang von Gianna Nannini („Voglio vincere“) konnten ihn aufhalten: Der Estate italiana war seiner. Das klingt jetzt vielleicht ein wenig abgedroschen, aber man kann es nicht anders sagen: Er kam, sah, siegte – und wurde wieder Weltmeister, diesmal im Nadelstreif (anno 90). Und während alles jubelte und tobte, schritt der Kaiser, die Hände im Hosensack, ruhig und in sich gekehrt über den heiligen Rasen des Stadio Olimpico,
Aschaute in den Nachthimmel Roms und dachte: Jo mei! ach den beiden Titeln als Kapitän und Feldherr schaffte Kaiser Franz auch noch den dritten und wichtigsten Titel, den des „Weltmeisters der Herzen“. Denn er hatte das Weltturnier (2006) nicht nur ins Land geholt, war im Hubschrauber von Stadt zu Stadt und von Stadion zu Stadion fliegend bei jedem Spiel vor Ort und wurde zum Wahrzeichen, zum Gesicht der Weltmeisterschaft 2006, wo die Seinen zur Überraschung der Welt in Berlin bei allem Ehrgeiz NICHT Weltmeister wurden, sondern verloren in Anstand, Würde und Fairness. Das Wunder war ein anderes: Auf Kaisers Befehl wurde sein ganzes Volk, das in der Welt seit urdenklichen Zeiten als arro-
Ngant, pedantisch, herrschsüchtig, zackig, preußisch und piefkinesisch verschrien war – dieses Volk wurde 2006 schlagartig kollektiv freundlich und sympathisch. Beckenbauer als Brückenbauer – das war des Kaisers größtes und nachhaltigstes Wunder. Jo mei. etzt sitzt der Kaiser mit schneeweißem Haar in Kitzbühel, blickt auf sein Land und erinnert sich an die Zeit, als er noch nicht so genau wusste, welches Land denn das seine war. Ein einziges Mal bekanntlich spielte im Lauf der Weltgeschichte Österreich gegen Deutschland und gewann haushoch 3:2. Jo mei! Damals traf unser geliebter Kaiser die weiseste aller seiner Entscheidungen: Er hat nicht mitgespielt.
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