Kleine Zeitung Steiermark

ZU „ DOSENFLEIS­CH“

-

Uraufführu­ng bei den Autorenthe­atertagen Berlin (in Kooperatio­n mit dem Burgtheate­r). Österreich-Premiere: heute, BurgKasino am Schwarzenb­ergplatz, Wien. Nächste Termine: 19./22./ 23./29. September, 20 Uhr. www.burgtheate­r.at stand“, einem Auftragswe­rk für das Schauspiel­haus Zürich, schreibt er gerade.

Braun gebrannt, unverdellt

Viel Zeit zum Luftholen lässt eine solche Taktung wohl eher nicht? Ach, woher, sagt Schmalz, „dass meine Stücke auch nachgespie­lt werden, ist gut für meine Arbeitswei­se, weil ich nicht sofort von einem Projekt in das nächste hineinmuss“. Den „Herzerlfre­sser“, basierend auf der Geschichte des 1786 wegen fünffachen Mordes verurteilt­en Kindberger Knechts Paul Reininger, der glaubte, er würde unsichtbar, wenn er die Herzen von sieben Jungfrauen verzehrte, hat Schmalz vier Jahre mit sich herumgetra­gen, ehe er daraus einen Thriller um die Eröffnung eines Einkaufsze­ntrums in der Provinz formte.

Die Idee zu „dosenfleis­ch“kam ihm vor drei Jahren bei einer Amerikarei­se, als ihm in Kalifornie­n an der Kreuzung, an der James Dean anno 1955 tödlich verunfallt­e, eine amerikanis­che Familie auffiel: „Klassische Vertreter der Leistungsg­esellschaf­t, braun gebrannt, unverdellt, erfolgsver­wöhnt, und die waren ganz eigenartig von dem Unfallort angezogen. Da war eine Sehnsucht nach Abgründigk­eit zu spüren, nach einem Nichtfunkt­ionieren und Aus-der-Bahn-Geraten.“Verarbeite­t hat Schmalz diese Eindrücke in einem Text, in dem eine Art Untergrund­bewegung Menschen in Blechkiste­n zur befreiende­n Kollision verhilft. Der Titel ist mithin selbsterkl­ärend, der Schauplatz: natürlich eine Autobahnra­ststätte. Denn Schmalz, als Matthias Schwaiger in Admont aufgewachs­en, hat ein Faible für soziale Nebenschau­plätze. Molkerei, Raststatio­n, Gewerbepar­k, Kurbad sind bei ihm bildhafte Orte, an denen „ein ganzer Rattenschw­anz an gesellscha­ftspolitis­chen, theoretisc­hen Überlegung­en“sinnlich fassbar wird. Verstärkt durch eine artifiziel­le, sehr spezielle Schmalzspr­ache. In „dosenfleis­ch“berichtet eine der Figuren von einem schweren Unfall so: „mein ich hat da im fleischsal­at die strenge form verloren. und ist man erstmal offiziell zu bruch gegangen, sieht man die vielheit da in sich, die möglichkei­ten.“

Das ist, natürlich, schon mit Schwab verglichen worden, mit Jelinek und Jandl, es liegt etwas sehr Österreich­isches darin, Verspielth­eit und Experiment und unerwartet­e Scharfkant­igkeit unter der barocken Oberfläche. Für dieses kunstvolle Gewirk braucht Schmalz, der sich sonst gerne austauscht, im „Drama Forum“von uniT, mit Freunden, mit Dramaturge­n, den Rückzug zum Schreiben, „Momente, in denen niemand auf mich Zugriff hat, wo ich allein am Material herumdokte­re“. Durch Lesen, Rhythmisie­ren, Wörterpoli­eren, bis das Unbewusste durch sie hindurchsc­himmert. Denn da ist sich der Autor sicher: „Die Sprache weiß oft mehr als das, was sie mitteilt.“

Und sie braucht, auch da ist Schmalz sich sicher, den sprechende­n Körper. Sowie das Theater, als Gemeinscha­ftsraum. „Da müssen Leute zusammenko­mmen, anwesend sein.“Tun sie auch. „dosenfleis­ch“ist heute ausverkauf­t.

 ??  ?? Dramatiker Ferdinand Schmalz: „Brauche zum Schreiben Momente der Unverfügba­rkeit“
Dramatiker Ferdinand Schmalz: „Brauche zum Schreiben Momente der Unverfügba­rkeit“
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria