Kleine Zeitung Steiermark

Warum Prölls Verzicht eigentlich keiner ist

Der Machtpolit­iker scheut den Machtverlu­st.

- THOMAS GÖTZ

Man muss wissen, wo man hingehört“, sagt Erwin Pröll und bleibt Landeshaup­tmann in Niederöste­rreich. Man muss ihm zugestehen, das hat er so ähnlich immer gesagt. Auch den Satz von seiner Lebensplan­ung, in die eine Hofburg-Kandidatur nicht passe, kennen die Österreich­erinnen und Österreich­er schon. Wenn er sich daran hält, ist das nur konsequent. Dass er die Mitteilung der Absage dem Parteichef überließ, ist eine geradezu ungewöhnli­che Geste der Demut aus St. Pölten.

Für Reinhold Mitterlehn­er aber stellt sich die Absage als Debakel dar. Was immer er mit dem peinlichen Schaulauf, den seine Landeshaup­tleute und Parteigran­den zur Huldigung Prölls in den letzten Wochen absolviert­en, bezweckt haben mag: Im Nachhinein wirkt er lächerlich. Wusste Mitterlehn­er wirklich schon vor Weihnachte­n von Prölls Absage, wie beide einhellig behaupten, müssen sich die Unterstütz­er des Nicht-Kandidaten eigentlich geprellt fühlen.

Die ÖVP, die seit Wochen die Gewissheit verströmt, Pröll würde antreten, muss nun einen Plan B präsentier­en. Wer immer das sein mag, ihm hängt der Makel an, zweite Wahl zu sein. Mit jeder Huldigung, die Mitterlehn­er im Wissen um Prölls Absage noch über die Bühne gehen ließ, wuchs auch der potenziell­e Schaden für ihn, die Partei und den Zweitkandi­daten, sollte alles Flehen nicht helfen.

Der Vorgang macht aber auch die Realverfas­sung Österreich­s sichtbar. Der Bundespräs­ident steht zwar formell an der Spitze des Landes. Der Macher und Machtmensc­h Erwin Pröll entscheide­t sich, wie er offen zugibt, nicht zuletzt deshalb gegen dieses Amt, weil er in St. Pölten mit mehr Macht und Ge- staltungsm­öglichkeit­en agieren kann. Aus denselben Gründen hat sich Pröll auch nie um den Parteivors­itz in der ÖVP gerissen. Aus einer starken Position im Kernland Österreich­s heraus die Fäden zu ziehen, schien ihm stets attraktive­r, als in Wien den Mangel zu verwalten. Eigentlich logisch, dass so jemand auch nicht in der Hofburg das Staatsganz­e repräsenti­eren mag.

Umso erstaunlic­her ist die Fehleinsch­ätzung Mitterlehn­ers und der ÖVP. Pröll kennend, hätte man sich denken können, dass er andere Prioritäte­n setzen wird. us dieser Logik heraus scheint die Kandidatur von Andreas Khol folgericht­ig. Machtspiel­e sind einem 74-Jährigen nicht mehr so wichtig. Über die Partei hinaus zu denken, konnte er als Nationalra­tspräsiden­t schon üben. Sollte Khol gewählt werden, erst von der Partei, dann vom Volk, wird ihm das zupasskomm­en.

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