Meuterei auf der Kommandobrücke
Die Flüchtlingspolitik stellt die deutsche Regierung vor ihre Zerreißprobe.
BERLIN. Manch einer denkt schon an Szenen einer zerrütteten Ehe: In der deutschen Regierungskoalition wird der Streit um die Flüchtlingspolitik immer lauter. Die bayerischen Christsozialen verlangen von der christdemokratischen Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Obergrenze für den Zuzug von Asylwerbern und drohen nun mit einer Verfassungsklage. Christ- und Sozialdemokraten fällt es zudem schwer, sich auf Details eines eigentlich längst vereinbarten Asylpakets zu einigen, mit dem unter anderem der Nachzug der Angehörigen von Flüchtlingen nach Deutschland erschwert werden soll.
Die von den Christsozialen (CSU) gestellte bayerische Landesregierung schickte am Dienstag ein Schreiben an Merkel, in dem sie eine wirksame Sicherung der deutschen Staatsgrenze und ein Limit von 200.000 Flüchtlingen pro Jahr fordert. Wenn die Bundesregierung nicht handelt, will Bayerns Ministerpräsident und CSUChef Horst Seehofer sie vor dem deutschen Verfassungsgericht verklagen. „Das ist die Ankündigung eines Koalitionsbruchs. In einer Koalition schreibt man keine Drohbriefe, sondern löst Probleme“, sagte der Chef der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann. Merkels CDU, die CSU und die SPD regieren gemeinsam in einer „schwarz-roten“Koalition. In deutschen Medien wird nun darüber spekuliert, wie sicher Merkel noch im Sattel sitzt. „Ist Merkel noch die Richtige?“, titelte kürzlich die „Bild am Sonntag“. Immer wieder machen die Worte Seehofers die Runde, der bei der Tagung der CSU-Bundestagsabgeordneten Anfang Jänner zu Merkel sagte: „Wir wollen mit dir eine Lösung – die Betonung liegt aber auf: Wir wollen eine Lösung. Das ist entscheidend.“
Anfang voriger Woche forderte CSU-Verkehrsminister Alexander Dobrindt als erstes Kabinettsmitglied einen Kurswechsel in der Asylpolitik. „Meuternde Minister waren schon häufiger das Wetterleuchten für einen Kanzlersturz“, kommentierte das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“. Vor den Landtagswahlen in drei Bundesländern im März und den starken Umfragewerten der rechtspopulistischen AfD wächst bei den Parteistrategen die Nervosität.