Naivität des Bösen
Zunächst ein paar Zitate aus einer Konferenz vorige Woche: Flüchtlinge seien nicht Last, sondern Verantwortung, erklärte Dieter Posch, Bürgermeister von Neudörfl im Burgenland. Der Bürgermeister von Passau warnte vor jener Hysterie, die von Politikern erzeugt und von Medien transportiert werde. Wer Menschen entwürdige, erklärte der Wiener Rechtsanwalt Bürstmayr, verliere den Respekt vor sich selbst. Der Bürgermeister von Pozzallo an Siziliens Küste, wo viele Boote aus Libyen ankommen, erklärte, er spreche nicht von Flüchtlingen und Migranten, er spreche von Menschen. Und mehrmals hieß es: Helfen hilft nicht nur anderen, helfen hilft den Helfern selbst. Helfen macht froh. Über derlei „Gutmenschen“-Gerede werden sich die Anhänger von Strache und Lopatka natürlich amüsieren und sie finden es naiv. Die Hamburger Wochenzeitung „Die Zeit“hat dafür den Begriff „Naivität des Bösen“geprägt, um den Unterschied zur Naivität von Gutwilligen zu verdeutlichen.
Die Internationale BürgermeisterKonferenz N-O-W, die in der Vorwoche in Wien stattfand, eine private Initiative von Patricia Kahane, André Heller und dem Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler, war überhaupt nicht naiv. Hier trafen einander Bürgermeister entlang der Fluchtroute von Jordanien über die Türkei und Griechenland bis Deutschland und redeten mit NGOs, die den Menschen auf der Flucht helfen, und mit einigen Experten. Da ging es nicht um Obergrenzen und theoretische Fragen, sondern um die Fakten: Menschen flüchten vor mörderischen Bürgerkriegen in Syrien, Irak, Afghanistan und ein Ende ist nicht in Sicht. Das heißt: Sie kommen und was machen wir? Was hat sich bewährt und was nicht? Was sind die ersten möglichen Schritte nach der Ankunft? Denn die sind besonders wichtig, um aus Menschen, die bleiben, zukünftige teilnehmende Bürger zu machen. Es war eine eindrucksvolle Konferenz der Hoffnung, weil es um Lösungen ging: Was können wir tun?
Und interessanterweise sprach kein Bürgermeister von Überforderung, obwohl auf der griechischen Insel Kos mit 17.000 Einwohnern an einem einzigen Tag 12.000 Menschen gelandet sind, und obwohl in Jordanien 10 Prozent der Bevölkerung Flüchtlinge sind und im Libanon fast 40 Prozent. Aber natürlich brauchen sie Hilfe. lüchtlinge kosten uns 600 Millionen“, lautete am Montag eine Schlagzeile. Dagegen steht die Aussage der Wirtschaftsexperten, dass Flüchtlinge nicht nur kosten, sondern gleichzeitig der Wirtschaft einen dringend benötigten Schub geben. Aber das nimmt die Regierung nicht zur Kenntnis, argumentiert auch nicht damit. Sie hört auf den Boulevard und auf die FPÖ, pfeift auf das Völkerrecht, verliert ihre Würde und den Anspruch auf Respekt. Peter Huemer lebt als Autor in Wien
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