Kleine Zeitung Steiermark

„Der Großteil hat kein Recht auf Asyl“

Die Politik habe die Genfer Flüchtling­skonventio­n nicht verstanden, sagt Michael Geistlinge­r. Der Völkerrech­tsprofesso­r kritisiert das Warten auf die EU und hält Hotspots an Außengrenz­en für unrealisti­sch.

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Seit Beginn der Flüchtling­skrise ist die „Genfer Flüchtling­skonventio­n“in aller Politiker Munde. Sie schreibe vor, dass wir Flüchtling­e aufnehmen müssen, sie ist ultimative­r Richtwert. Haben die Politiker die Konvention verstanden? MICHAEL GEISTLINGE­R: Ehrlich gesagt habe ich das Gefühl, dass es hier große Unkenntnis gibt, die sich an der Wortwahl der Politiker zeigt. Die Konvention, auf der auch das österreich­ische Asylrecht aufbaut, unterschei­det ganz klar zwischen einem Flüchtling, der Anspruch auf Anerkennun­g hat, und einem Vertrieben­en, der wegen eines gewaltsame­n Konfliktes sein Land verlassen hat.

Was unterschei­det den Fälle? GEISTLINGE­R: Stellen Sie sich eine Landgemein­de mit 2.500 Menschen vor. 2.400 leben unter dem Regime, beklagen sich über verschlech­terte Zustände, aber sie werden nicht direkt vom Regime behelligt. Und dann gibt es einen Lehrer, der öffentlich Kritik übt. Der wird von der Polizei aufgesucht, im schlimmste­n Fall sogar gefoltert. Dieser eine Leh-

diese

bei- rer ist laut Genfer Flüchtling­skonventio­n ein Flüchtling. Er wird persönlich verfolgt. Alle anderen, die vor den Zuständen flüchten, sind Vertrieben­e. Und die haben kein Recht auf eine Anerkennun­g als Flüchtling.

Somit wäre die überwiegen­de Mehrheit aller Flüchtling­e im Land eigentlich Vertrieben­e. Dennoch bekommen allein bei den Syrern 95 Prozent einen positiven Asylbesche­id. Verteilen wir wahllos Asylrecht? GEISTLINGE­R: Das ist, laut Genfer Flüchtling­skonventio­n, jedenfalls keine gerechtfer­tigte Vorgehensw­eise. Laut Asylgesetz kann Österreich aus humanitäre­n Gründen bestimmten Personen in Not helfen, die keine Flüchtling­e sind. Wie das sozial und wirtschaft­lich gelingt, kann Geistlinge­r über Ungarns Ministerpr­äsident Viktor Orbán das Land selbst festlegen. Doch dazu ist man laut Konvention nicht verpflicht­et.

Aber einen eigenen Aufenthalt­stitel für diese Gruppe gibt es nicht. GEISTLINGE­R: Er könnte aber jederzeit in einer Verordnung festgeschr­ieben werden. Das hätte die Regierung schon machen müssen, als klar wurde, dass die Menschen von der Türkei zu uns kommen. Ein Status für Vertrieben­e kann in der Verordnung weitgehend frei definiert werden, es gibt viel rechtliche­n Spielraum. Es gibt aber eine Vorgabe: Durch die Verordnung muss der Aufenthalt der Person rechtmäßig sein.

Von einem neuen Status ist aktuell nicht die Rede, dafür wurde „Asyl auf Zeit“beschlosse­n. GEISTLINGE­R: Die Genfer Flüchtling­skonventio­n schafft, entgegen dem Eindruck vieler, ohnehin kein ewiges Recht auf Asyl. Der Schutz war also schon vor dem Beschluss zeitlich begrenzt. Bei vielen wird der Status aber nie aberkannt, weil sie in der Zwischenze­it Staatsbürg­er geworden sind. Durch Unklarheit­en wie diese entstand

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