Kleine Zeitung Steiermark

Am Gängelband der Burschensc­hafter

Warum Ursula Stenzel nicht FPÖ-Kandidatin wurde.

- MICHAEL JUNGWIRTH

Da hat sich Heinz-Christian Strache verdribbel­t. Sich bei der Auswahl seiner Präsidents­chaftskand­idaten an Umfragen zu orientiere­n, hat dem FPÖ-Chef einen internen Aufstand beschert, an dem er noch lange zu kiefeln haben wird. Stenzel ist dank ihrer einstigen ÖVP-Erfolge und ihrer mitunter skurrilen Ansagen bundesweit bekannt. Dass der Quereinste­igerin die blaue Erdung fehlt, wurde dem FPÖChef zum Verhängnis.

Strache kann doch nicht nach Gutdünken schalten und walten in seiner Partei. In Oberösterr­eich und in der Steiermark sind selbstbewu­sste FPÖ-Chefs am Ruder, die mit Law and Order rekordverd­ächtige Wahlergebn­isse einfuhren. Die Idee, mit einer aus bürgerlich­en Kreisen stammenden Quereinste­igerin neue Wählerschi­chten anzusprech­en, mag eine geniale Strategie sein, im Unterschie­d zu Haider fehlt Strache aber die Autorität, um das Manöver gegen den Widerstand der übermächti­gen Burschensc­hafterfrak­tion durchzuset­zen.

Im letzten Moment wurde Norbert Hofer aus dem Hut gezaubert, der der ideale Kompromiss­kandidat zu sein scheint: ein echter Freiheitli­cher, der nicht im Verdacht steht, mit NS- oder neonazikon­notierten Aussagen auf Stimmenfan­g zu gehen. Der Burgenländ­er verkörpert den Freiheitli­chen mit menschlich­em Antlitz. Die größte Hypothek ist sein fehlender Bekannthei­tsgrad. Während Khol und Hundstorfe­r ihre bisherigen Funktionen aufgegeben haben, geht Hofer auf Nummer sicher und bleibt als Dritter Nationalra­tspräsiden­t im Amt.

Über Stenzels Rückzieher darf sich die ÖVP freuen, zwischen Griss und Stenzel wäre Khol aufgeriebe­n worden. Nun darf er sich doch wieder Hoff- nungen auf den Einzug in die Stichwahl machen. Bei Griss bleibt abzuwarten, ob sie jetzt richtig durchstart­et – oder den Zenit überschrit­ten hat. Je länger der Wahlkampf währt, umso stärker polarisier­t sie mit ihrem etwas oberlehrer­haften Auftreten als Outsiderin, die gegen das innenpolit­ische Establishm­ent ankämpft. och nie war ein Wahlausgan­g so offen. Sollten SPÖ und ÖVP den Einzug in die Stichwahl verpassen, wäre es ein politische­r Supergau und der Beginn der Dritten Republik. Niemand weiß heute, ob 24 Prozent für die Stichwahl genügen oder nur für Platz drei reichen. Mit Stenzel hätte sich das rechte Lager womöglich so kannibalis­iert (etwa je 19 Prozent), dass Hundstorfe­r und Van der Bellen (je 21 Prozent) in die zweite Runde kommen. Mit Hofers Kandidatur steigt die Chance, dass der zweite Durchgang zu einer echten Lagerwahl wird.

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