Ein Zaun gegen Angst und Armut
An den EU-Außengrenzen wächst das „Grenzmanagement“. Bulgarien ist stolz auf den Zaun, auch wenn weiterhin Menschen durchkommen.
Der Schnee knirscht unter den Stiefeln des Sergeants. Er führt die Gruppe bis an die türkisch-bulgarische Grenzlinie. Der Grenzpolizist darf nichts sagen, nur dass man auf gar keinen Fall Fotos machen darf. Immerhin dreht er sich nicht um, marschiert geradewegs durch den südbulgarischen Kontrollpunkt Malko Tarnovo und so knipsen die Handys hinter ihm dann doch. Bis schließlich links und rechts von der Straße die fünf Meter hohe neue Grenzanlage steht. Zwei Reihen Zaun, dicht belegt mit scharfem Nato-Draht, der zwischen den Reihen liegt. Wärmebildkameras, Bewegungsmelder und Bodenradar wachen über die Anlage, ein Soldat steht mit Maschinengewehr vor einem Aufsichtsturm. Die Grenze zur Türkei ist dicht – gut, manchmal geht der Strom nicht. Aber auch ohne Elektrizität ist die modernste Grenzanlage der Europäischen Union abschreckend genug.
Doch noch immer kommen 20 bis 30 Syrer, Iraker und Afghanen täglich über die grüne Grenze und damit in die EU. Denn die neue Grenzanlage ist erst 30 Kilometer lang. Der alte Zaun, den Bulgarien im Mai 2014 auf einem guten Teil der 273 Kilometer Trennlinie zur Türkei zog, ist noch immer leicht zu überwinden. Auch Elis Said ist einfach darunter hindurch geklettert vor sechs Monaten. Nun sitzt der 25jährige Syrer in einer kleinen Wohnung, in der die Caritas Flüchtlingen Bulgarisch-Unterricht gibt. Der Staat hat sich seit dem Auslaufen des Integrationsprogramms 2013 aus der Förderung ausgeklinkt. Würden NGOs wie die Caritas nicht einspringen, sähe die Integration sehr dünn aus im ärmsten Land der Europäischen Union mit massiver Arbeitslosigkeit, unzähligen Straßenkindern, Konflikten mit Minderheiten wie den Roma und hoher Korruption.
Wer will da schon bleiben?
Elis Said will es. Für ihn wurde die Situation als Christ in Syrien unerträglich. Seine Mutter ist in al-Hasaka im Osten des Landes nahe der irakischen Grenze geblieben. Er floh mit seinem Bruder zu Fuß in die Türkei und von dort mit Schleppern über die Grenze nach Bulgarien. 1800 Euro wollten die türkischen Schlepper haben. Von Bulgarien hatte zuvor noch nie etwas gehört, aber nachdem er nun erst einmal da war, entschied er sich zu bleiben. „Ich habe mich gut hier gefühlt“, sagt Said. Und da ihn die Polizei gut behandelte, entschied er sich dafür, gleich am Rande Europas Asyl zu beantragen.
Mit dieser Entscheidung ist Said ziemlich allein, denn die allermeisten sehen Bulgarien nur als Transitland nach Westeuropa. 20.000 Menschen wurden registriert, aber 16.000 Flüchtlinge haben das Verfahren abgebrochen und sind weitergezogen. Wie viele illegal Einreisende unentdeckt blieben, ist unklar. Allerdings scheiterten viele schon am alten „Grenzmanagement“, wie es auf Behördenbulgarisch heißt. 400.000 Menschen habe man 2014 abgefangen, nur 6000 Menschen haben den Weg geschafft.
Dabei geht die Polizei mitunter brutal vor. „Das gewaltsame Zu- rückdrängen an der Grenze ist derzeit unser größtes Problem“, sagt Iliana Savona. Sie ist Direktorin des bulgarischen HelsinkiKomitees, einer Menschenrechtsorganisation, die sich für den Schutz von Flüchtlingen einsetzt. Die Organisation berichtet seit Längerem von „Pushbacks“, dem Zurückdrängen im Grenzbereich. „Die bulgarische Polizei ruft die türkische und die holt die Flüchtlinge dann zurück.“
Diebstahl und Prügel
Beide Seiten gehen dabei nicht zimperlich vor, erzählt Savona. Flüchtlinge erzählen Helfern der Organisation von Schlägen durch die Polizei und Konfiszierung der Wertgegenstände. Die Organisation Human Rights Watch unterstützt diese Anschuldigungen durch eigene Flüchtlingsinterviews. Savona weiß aber nicht, ob man ihrer Regierung die alleinige Schuld geben könne. Die harte