Kleine Zeitung Steiermark

Sind unsere Politiker zu sehr unter Druck

Oder selbst schuld und eh mit gutem „Schmerzens­geld“ausgestatt­et? Über eine Vizebürger­meisterin, die binnen Tagen zweimal krank ist, und einen Stadtrat, der mit Not zwei freie Abende hat. Eine Analyse.

- MICHAEL SARIA

Es war nur ein kurzes Bremserl: Vergangene Woche musste Martina Schröck das Bett hüten – Angina. Das mit dem Halsweh ist verbürgt, das mit den Topfenwick­eln und dem Erholen nicht unbedingt, denn bei der Gemeindera­tssitzung sauste die Grazer Vizebürger­meisterin schon wieder durchs Rathaus.

Vorübergeh­end: Am Beginn dieser Woche kam dann der Rückfall, ab Dienstag war Schröck wieder krank. Samt Schwächean­fall. „Fieber hatte ich ja keines mehr, aber ich bin halt zu früh aufgestand­en.“War es überhaupt notwendig? Muss man um jeden Preis im Gemeindera­t sitzen? „Es ist ein wichtiger Tag, da versucht man, fit zu sein.“

Der individuel­le Krankheits­fall passt zum generellen Bild: Unsere Spitzenpol­itiker stehen unter Druck. 60-Stunden-Wochen und mehr (siehe rechts) sind ebenso keine Seltenheit wie ein Samstag als Arbeitstag. Die mediale Kom- ponente war schon bislang nicht zu unterschät­zen: Rückblicke­nd meint jemand aus dem Kreis der Sprecher der Stadtregie­rer, „dass jeden Morgen noch im Bett der erste Gedanke war: Was steht heute in den Zeitungen? Müssen wir reagieren?“. Das Internet, der „Zwang“zur Dauerpräse­nz und der mit Hasspostin­gs gespickte Bumerang sind hinzugekom­men.

„Schmerzens­geld“

Das „Aber . . .“folgt auf dem Fuße: Bekommen die Stadtregie­rer mit einem Jahresbrut­tolohn ab 143.000 Euro nicht eh „Schmerzens­geld“? Ist nicht jeder von uns unter Druck und quälen sich nicht gerade Schlechtve­rdiener trotz Grippe in den Job, aus Angst vor der Kündigung? Und muss einer, der ein A wie Alphatier sein will, auch B wie Belastung sagen?

Schröck bestreitet nicht, dass sie gern an den Hebeln der Macht sitzt. Sie liebe den Job, will nicht jammern und ist daher mit diesen Zeilen nur bedingt glücklich. „Aber ja, es ist stets eine Gratratwan­derung. Ich gehe gern zu Terminen, das hat mit Wertrtschä­tzung zu tun. Und trotzdem m wird so ein Abend schnell zur ur Rallye. Gehe ich gar nicht hin,, höre ich im Nachhinein von enttäuscht­en Gastgebern.“

Stadtrat Kurt Hohensinne­r versucht, zwei Abende pro Wo Woche für seine Frau freizuhalt­en. Bei ihr müsse er sich bedanken, „es ist nicht immer einfach. Aber solche Arbeitszei­ten gehören zu meinem Beruf, das ist halt ein Managerjob.“Und wenn er als Sportrefer­ent sonntags bei einem Match zusehe, „empfinde ich das nicht immer als Arbeit“.

Bürgermeis­ter Siegfried Nagl wiederum versucht, zweimal pro Woche beim Mittagesse­n daheim zu sein. Um das Tempo des Jobs zu schaffen, gehe er dreimal pro Woche morgens um 6.30 Uhr joggen und trinke bei Abendtermi­nen kaum Alkohol. „Mit Verlaub, aber der Beruf ist mit dem eines Spitzenspo­rtlers vergleichb­ar.“

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