Sind unsere Politiker zu sehr unter Druck
Oder selbst schuld und eh mit gutem „Schmerzensgeld“ausgestattet? Über eine Vizebürgermeisterin, die binnen Tagen zweimal krank ist, und einen Stadtrat, der mit Not zwei freie Abende hat. Eine Analyse.
Es war nur ein kurzes Bremserl: Vergangene Woche musste Martina Schröck das Bett hüten – Angina. Das mit dem Halsweh ist verbürgt, das mit den Topfenwickeln und dem Erholen nicht unbedingt, denn bei der Gemeinderatssitzung sauste die Grazer Vizebürgermeisterin schon wieder durchs Rathaus.
Vorübergehend: Am Beginn dieser Woche kam dann der Rückfall, ab Dienstag war Schröck wieder krank. Samt Schwächeanfall. „Fieber hatte ich ja keines mehr, aber ich bin halt zu früh aufgestanden.“War es überhaupt notwendig? Muss man um jeden Preis im Gemeinderat sitzen? „Es ist ein wichtiger Tag, da versucht man, fit zu sein.“
Der individuelle Krankheitsfall passt zum generellen Bild: Unsere Spitzenpolitiker stehen unter Druck. 60-Stunden-Wochen und mehr (siehe rechts) sind ebenso keine Seltenheit wie ein Samstag als Arbeitstag. Die mediale Kom- ponente war schon bislang nicht zu unterschätzen: Rückblickend meint jemand aus dem Kreis der Sprecher der Stadtregierer, „dass jeden Morgen noch im Bett der erste Gedanke war: Was steht heute in den Zeitungen? Müssen wir reagieren?“. Das Internet, der „Zwang“zur Dauerpräsenz und der mit Hasspostings gespickte Bumerang sind hinzugekommen.
„Schmerzensgeld“
Das „Aber . . .“folgt auf dem Fuße: Bekommen die Stadtregierer mit einem Jahresbruttolohn ab 143.000 Euro nicht eh „Schmerzensgeld“? Ist nicht jeder von uns unter Druck und quälen sich nicht gerade Schlechtverdiener trotz Grippe in den Job, aus Angst vor der Kündigung? Und muss einer, der ein A wie Alphatier sein will, auch B wie Belastung sagen?
Schröck bestreitet nicht, dass sie gern an den Hebeln der Macht sitzt. Sie liebe den Job, will nicht jammern und ist daher mit diesen Zeilen nur bedingt glücklich. „Aber ja, es ist stets eine Gratratwanderung. Ich gehe gern zu Terminen, das hat mit Wertrtschätzung zu tun. Und trotzdem m wird so ein Abend schnell zur ur Rallye. Gehe ich gar nicht hin,, höre ich im Nachhinein von enttäuschten Gastgebern.“
Stadtrat Kurt Hohensinner versucht, zwei Abende pro Wo Woche für seine Frau freizuhalten. Bei ihr müsse er sich bedanken, „es ist nicht immer einfach. Aber solche Arbeitszeiten gehören zu meinem Beruf, das ist halt ein Managerjob.“Und wenn er als Sportreferent sonntags bei einem Match zusehe, „empfinde ich das nicht immer als Arbeit“.
Bürgermeister Siegfried Nagl wiederum versucht, zweimal pro Woche beim Mittagessen daheim zu sein. Um das Tempo des Jobs zu schaffen, gehe er dreimal pro Woche morgens um 6.30 Uhr joggen und trinke bei Abendterminen kaum Alkohol. „Mit Verlaub, aber der Beruf ist mit dem eines Spitzensportlers vergleichbar.“