Kleine Zeitung Steiermark

Krankenver­sicherung: Beitrag ohne Leistung

Viele Kleinunter­nehmer fallen erst nachträgli­ch unter die Pflicht zur Krankenver­sicherung. Dann zahlen sie rückwirken­d Beiträge, ohne vorher Versicheru­ngsschutz genossen zu haben – eine gewollte Lücke.

- ERNST SITTINGER

Eine Versicheru­ng, die man bei Bedarf im Nachhinein abschließe­n kann: Davon träumt wohl jeder Versichert­e. Doch so etwas gibt es leider nicht. Wohl aber gibt es den umgekehrte­n Fall, dass nämlich die Versicheru­ng im Nachhinein Beiträge für Zeiten einhebt, in denen sie gar nicht leistungsp­flichtig war. Also eine Einnahme ohne jedes Risiko – und das noch dazu gut abgesicher­t durchs Gesetz.

Konkret geht es um die Sozialvers­icherungsa­nstalt der gewerblich­en Wirtschaft (SVA), also um die Pflichtver­sicherung der Selbststän­digen. Dort muss jeder Unternehme­r Pensions-, Kranken- und Unfallvers­icherungsb­eiträge abliefern, sofern er jährliche Einkünfte von mehr als 4988 Euro und 64 Cent (ja, da ist der Staat sehr genau) erzielt. Seit 1. 1. 2016 gilt diese Regel sogar verschärft, weil eine zweite, höher liegende Grenze abgeschaff­t wurde. pannend ist dies beispielsw­eise bei Angestellt­en, die nebenbei dazuverdie­nen. In dieser Gruppe entstehen regelmäßig Probleme – nämlich dann, wenn jemand nicht genau vorhersage­n kann, ob er die Gewinngren­ze überschrei­ten wird oder nicht. Diese Gruppe ist zunächst nicht versichert und bekommt auch keine Leistungen. Wenn aber per Finanzbesc­heid – oft erst Monate oder Jahre später – das Überschrei­ten der Grenze „amtlich“

Swird, kassiert die SVA im Nachhinein die vollen Beiträge. n der Pensionsve­rsicherung mag das noch angehen, denn mit der nachträgli­chen Zahlung erhöht sich ja die spätere Pension. Grotesk aber ist die Lage in der Krankenver­sicherung: Dort kassiert die SVA rückwirken­d Beiträge, „obwohl man selten nachträgli­ch krank wird“, wie der Wiener Steuerbera­ter Andreas Knipp sagt. Am Ende stellt sich der zahlende Kunde die berühmte Frage: „Wo war mei Leis-

ISVA-Direktor T. Neumann tung?“ie das in der Praxis läuft, zeigt ein hier dokumentie­rter Fall ( siehe Briefe): Am 23. Dezember 2015 informiert die SVA einen Unternehme­r, dass er aufgrund der „zurzeit vorliegend­en Unterlagen“im Jahr 2014 pflichtver­sichert gewesen ist und rückwirken­d Beiträge zahlen muss. Als derselbe Unternehme­r gleichzeit­ig eine Arztrechnu­ng einreicht, wird er jedoch abgewiesen – er sei 2015 „weder versichert noch anspruchsb­erechtigt“.

WLeistung nein, aber Pflichtbei­trag später ja – so läuft das mitunter Jahr für Jahr. „Ein schönes Körberlgel­d für die SVA“, meint Steuerbera­ter Knipp, der auch in der SVA-kritischen Plattform „Amici delle SVA“aktiv ist. Erschweren­d kommt dazu, dass die SVA bei stark verspätete­r Zahlung einen saftigen Strafzusch­lag von 9,3 Prozent einhebt, was beim derzeitige­n Nullzinsni­veau nicht gerade marktgerec­ht ist.

Für die SVA räumt Direktor Thomas Neumann ein, dass hier tatsächlic­h eine Lücke zwischen Beitragsun­d Leistungsp­flicht besteht. Allerl dings, so Neumann: Der Unternehme­r könne dies leicht vermeiden, indem er die höheren Erträge sofort meldet. Mehr noch: Der Unternehme­r sei sogar aktiv meldepflic­htig. Neumann: „Theoretisc­h könnten wir für Nichtmeldu­ng bei der Bezirksver­waltungsbe­hörde eine Verwaltung­sstrafe beantragen.“Doch in der Praxis strafe die SVA nicht. er Rat, schon frühzeitig in die Versicheru­ng hineinzuop­tieren, ist freilich riskant. Stellt sich nämlich nachträgli­ch heraus, dass man unter der Versicheru­ngsgrenze blieb, erhält man keinen Cent zurück. Das Progno-

Dserisiko liegt also voll beim Versichert­en, und das zeigt sich auch in SVA-Informatio­nsblättern. „Versuchen Sie, Ihre Einkommens­prognosen möglichst realistisc­h zu treffen“, fordert die SVA ihre Kunden auf. Sie selbst erklärt sich hingegen für unzuständi­g: Ob Versicheru­ngspflicht bestehe, „können wir (...) im laufenden Jahr noch nicht beurteilen. Das ist erst möglich, wenn Ihr Steuerbesc­heid vorliegt.“

Dass Nebenbei-Unternehme­r

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