Wenn Medizin wie Science-Fiction
Die Chemotherapie wird immer weniger wichtig, neue Therapien laufen ihr den Rang ab: ein Über- blick zum nahenden Krebstag.
Einem Patienten, der unheilbar an Leukämie erkrankt ist, werden Immunzellen, sogenannte T-Zellen entnommen. In diese T-Zellen wird im Labor ein Virus eingeschleust, das sie „scharf macht“: Die Immunzellen sind nun darauf programmiert, Krebszellen zu erkennen und diese zu zerstören. Die so veränderten Zellen werden dem Patienten wieder eingesetzt und beginnen ihren Angriff auf den Tumor.
Was nach Science-Fiction klingt, ist medizinische Realität: „Bei Kindern mit lymphatischer Leukämie, die bereits aufgegeben waren, gab es durch diese Methode Erfolgsraten von 90 Prozent“, sagt Ulrich Jäger, Krebsmediziner an der MedUni Wien. Als eines von nur neun Zentren in Europa ist die MedUni Wien an der Erprobung die- ser neuen Methode beteiligt: Noch ist die Anwendung aber auf wenige Patienten beschränkt, da sie sehr teuer und kompliziert ist. Auch zum diesjährigen Krebstag, der am 4. Februar stattfindet, können die Krebsspezialisten wieder neue Errungenschaften und Früchte der Forschungsleistung präsentieren. Letztes Jahr der wahrgewordene Traum der Forschungselite, zeigt die Immuntherapie mittlerweile in der Praxis ihre Erfolge. Diese Therapie, die dazu führt, dass das Immunsystem Tumorzellen erkennt und an- greift, wird heute vor allem bei fortgeschrittenen Formen des Melanoms, des nicht-kleinzelligen Lungenkrebses und des Nierenzellkrebses eingesetzt. Hier seien „unendlich viele Studien im Laufen, viele Präparate stehen vor der Marktreife“, sagt Christoph Zielinski, Leiter der Onkologie der MedUni Wien. Und zeigt interessante Zahlen auf: Von 52 Krebsmedikamenten, die im letzten Jahr auf den Markt kamen, waren nur fünf Chemotherapien. Ist das nun das Ende der Ära der gefürchteten Chemo? „Sie wird immer weniger wichtig“, sagt Zielinski, auch die Entwicklung werde kaum noch vorangetrieben.
An die Stelle der Chemotherapie treten zielgenauere Möglichkeiten: Personalisierte Medizin ist dabei das zentrale Schlagwort. Dahinter steht die Erkenntnis, dass Lungenkrebs nicht gleich Lungenkrebs ist: Es kann sein, dass zwei Patienten mit einem Tumor in der Lunge völlig unterschiedliche Therapien brauchen. Um herauszufinden, welche Therapie zu welchem Tumor passt, wird er genetisch untersucht – und dann mit speziellen Antikörpern attackiert (siehe rechts).
„Ein Leben mit Krebs wird möglich“, sagt Brustkrebsspezialist Günther Steger. Frauen leben trotz Tochtergeschwüren (Metastasen) bis zu 15 Jahre mit ihrer Erkrankung. Das bedeutet neue Herausforderungen: Die soziale und psychologische Betreuung werde immer wichtiger, um ein Leben mit Krebs zu meistern.