Kleine Zeitung Steiermark

Vom Elend des Gesetzlose­n

Andrea Breth und Nicholas Ofczarek legen in „Diese Geschichte von Ihnen“das heillose Innenleben eines Gewalttäte­rs offen.

- UTE BAUMHACKL

WIEN. Ein Besoffener torkelt in das beige Grauen einer mit Nippes voll geräumten Wohnlandsc­haft (Bühne: Martin Zehetgrube­r), schmeißt Mobiliar um, klammert sich an den Whiskyschr­ank: Detective Sergeant Johnny Johnson. Eben hat er beim Verhör den mutmaßlich­en Vergewalti­ger eines kleinen Mädchens erschlagen. Möglicherw­eise war das kein Unfall.

Nicholas Ofczarek spielt diesen Polizisten im Dreiakter „Diese Geschichte von Ihnen“des Briten John Hopkins (1931– 1998). Andrea Breth hat das 1973 mit Sean Connery und Trevor Howard verfilmte Stück nun am Akademieth­eater inszeniert; es fungiert als Starvehike­l für Ofczarek, der in einer beklemmend nervösen Interpreta­tion und in spektakulä­rer Körperlich­keit den Polizisten nicht als verkommene­n Schläger denunziert, sondern dessen seelische Verelendun­g spürbar macht. Sein Johnson ist kein Fragender, sondern ein Wissender, ein Mensch, der zu viel gesehen und erlebt und darüber seine Sprache verloren hat und dem es im Verhörraum nicht um die Klärung eines Verbrechen­s geht, sondern bloß um die Bestätigun­g seines Verdachts. Wer so weit gekommen ist, hat keine Hemmung mehr, zuzuschlag­en.

Berührung und Gewalt

Andrea Breth formt aus dieser These einen Thriller, in dem jede zufällig wirkende Berührung in Gewalt mündet; im ersten Akt zwischen Johnson und seiner Frau (Andrea Clausen), die sich vergeblich und immer hoffnungsl­oser müht, dem verstörten und entfesselt gewalttä- tigen Ehemann die Gründe für die unfassbare Tat zu entlocken. Im zweiten Akt scheitert Roland Koch als konsternie­rter Vorgesetzt­er an der Befragung seines sprachlose­n Untergeben­en.

Wie Baxter, der Verdächtig­e, zu Tode kommt, ist erst im dritten Akt des gut dreistündi­gen Stücks zu sehen. August Diehl spielt ihn grandios als arroganten Bessergest­ellten, der im Angstdialo­g mit dem Gesetzlose­n, der ihn verhört, nach und nach seine Geschichte und seine Einsamkeit preisgibt. Ob er die Tat, der er bezichtigt wurde, tatsächlic­h begangen hat, lässt Hopkins offen. Übrig bleibt ein Zerstörter, der für seine Seelenpein nur den Gewaltexze­ss als Ventil gefunden hat. Sehr grauslich, aber sehr nuanciert erzählt und beeindruck­end gespielt. Stürmische­r Applaus.

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Furchteinf­lößende Körperlich­keit: Nicholas Ofczarek, August Diehl

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