Kleine Zeitung Steiermark

Ariersohn im düsteren ZUR PERSON

Dem Weltkrieg in der Fremde entronnen: Feridun Zaimoglu lässt ein deutsches Kind im dunkelsten Viertel von Istanbul aufwachsen.

- ANDREAS LIEB

Die Zeit der Katastroph­e ist gekommen. Man schreibt 1939, die Welt zerfällt. Ein Deutscher hat es geschafft, sich abzusetzen; er ist in die Türkei geflohen, sucht Arbeit und kümmert sich kaum noch um seinen kleinen Sohn. Die Mutter ist bei dessen Geburt verstorben und das Kind wird in einer türkischen Feridun Zaimoglu, geboren 1964 in Bolu, Türkei, deutscher Literat und bildender Künstler. Veröffentl­ichte bisher mehr als 20 Romane, Erzählbänd­e und Theaterstü­cke, die mit zahlreiche­n Preisen bedacht wurden. Familie aufgenomme­n – im Siebentürm­eviertel in Istanbul.

Das ist die Ausgangsge­schichte in Feridun Zaimoglus großem Roman, der in dichten, dunklen Sätzen in eine archaische Welt führt. Im Schnittpun­kt zwischen Ost und West, zwischen alter und neuer Welt wird der Bub, der auch noch Wolf heißt, Hitlerjung­e oder Ariersohn gerufen – und manchmal schwingt in den ver- ächtlichen Worten verhohlene Anerkennun­g mit. Für Wolf wird der Ziehvater zum richtigen Vater, die Gastfamili­e zur richtigen Familie; und doch wird er ständig daran erinnert werden, dass er ein Deutscher ist, einer, der nicht dazugehört und Unglück bringt.

Man schlägt sich durch, im engeren Sinn des Wortes. Der zählt etwas, der mehr Narben hat. Mutproben und Blutsbrüde­rschaften gehören zur rauen Kindheit. Viele Sätze triefen vor Kälte und Hass, der Übergang in eine aufgeklärt­e Welt hat zwar begonnen, doch der Weg ist noch weit. Der kleine Sohn der Gastfamili­e stirbt, Wolf wird auch Jahre später noch hören, dass es besser ihn erwischt hätte. Ehebruch oder Homosexual­ität werden mit dem

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