Kleine Zeitung Steiermark

Der falsche Gruß

Mindestsic­herung für alle Asylberech­tigten? Man wird über die Automatik in Ruhe reden müssen.

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Es hat lange gebraucht, ehe die Regierung halbwegs gemeinsam zur Einsicht gelangte, dass der Zustrom von Flüchtling­en begrenzt werden muss, um ihn politisch, gesellscha­ftlich und budgetär zu bewältigen. Diese Haltung ist weder rechts noch reaktionär, sondern ein Gebot pragmatisc­her Vernunft. Sie ist auch kein Bruch mit dem humanitäre­n Selbstvers­tändnis des Landes, sondern sichert diesen Konsens erst ab. Der idealistis­chpuristis­che Blick hingegen, der unbegrenzt­e Offenheit zur ethischen Norm erklärt, ohne die Folgen zu bedenken, ist verantwort­ungslos, weil er die breite Bereitscha­ft zum tätigen Mitgefühl schleichen­d zersetzt.

Die SPÖ scheint das spät begriffen zu haben. Für den Realitätss­inn, den sie sich widerstreb­end anerzieht, wäre man in der Partei vor Kurzem noch unter Hausarrest gestellt worden.

Ein letztes ideologisc­hes Relikt, an dem sie diskursunw­illig festhält, ist die Mindestsic­he- rung: ein hohes Gut des Sozialstaa­tes. Es fußt auf einer stillen Übereinkun­ft der Solidargem­einschaft, der Bürger. Sie weben durch ihre Beiträge das soziale Netz, für sich selbst und die Fährnisse des Lebens und solidarisc­h für all jene, die nicht mitweben können. Das ist die Idee. Niemand soll ins Nichts fallen müssen.

Der Staat fängt sie mit etwa 900 Euro monatlich auf. Das wird man Bedrängten nicht missgönnen. Ein Rest an Ungerechti­gkeit freilich bleibt, und zwar entlang des Korridors zwischen Niedrigloh­n und leistungsf­reier Absicherun­g. Der Abstand darf nicht verschwind­end sein, sonst schwindet das soziale Verständni­s derer, die das Netz flechten. Hier Nachschau zu halten, ist kein Populismus. Dass die SPÖ die Augen zukneift, ist nur erklärbar, wenn man ihr unterstell­t, dass die Partei die Arbeitersc­haft ohnehin längst zur Adoption an die FPÖ freigegebe­n hat.

Ebenso notwendig ist der kritische Blick auf jene Automatik, die den Anspruch auf Mindestsic­herung für hier Lebende auf alle erwerbslos­en Asylberech­tigten und ihre nachziehen­den kinderreic­hen Familien ausdehnt. Das war nicht Teil der stillen Übereinkun­ft. Niemand wünscht die Schutzbere­chtigten in desolate Sub-Milieus, aber 2000 Euro netto für eine syrische Familie ist ein problemati­sches Signal, nach außen wie nach innen. Ihre Gleichsetz­ung mit einem ansässigen Familienva­ter, der mit 50 den Job verliert, wirkt entsolidar­isierend. Sinnvoller wären Anreizsyst­eme, die von der verlängert­en Grundsiche­rung (300 Euro) schrittwei­se, mit Sachgutsch­einen für die Kinder und gegen Nachweis von Qualifizie­rungsleist­ungen, in Richtung Mindestsic­herung führen. Das hohe Gut als Blankosche­ck ist der falsche Willkommen­sgruß. Sie erreichen den Autor unter

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