Kleine Zeitung Steiermark

„Anschlag auf einkommens­schwache Familien“

Grazer Sozialstad­trätin Martina Schröck warnt vor Einschnitt­en bei Sozialausg­aben.

- VERPFLICHT­UNG I NTERVIEW: ANDREA RIEGER

Die Sozialausg­aben haben sich in Graz in den vergangene­n zehn Jahren verdoppelt, bis 2020 wird sich die Entwicklun­g noch weiter beschleuni­gen. Wie kommt das?

Es wird immer nur die Frage gestellt, warum die Sozialausg­aben ständig steigen. Selten fragt jemand, warum es so viele Arme gibt und das Vermögen so ungerecht verteilt ist. Die Steigerung­en sind auch für mich besorgnise­rregend, weil sie Ausdruck der schlechten Wirtschaft­slage sind. Viele Menschen kriegen keine Arbeitsste­lle oder eine, von der sie nicht leben können, und landen nach Arbeitslos­e und Notstand in der Mindestsic­herung. Stichwort Mindestsic­herung. Heute beziehen doppelt so viele Grazer Haushalte Mindestsic­herung wie 2011. Müssen die Spielregel­n für den Bezug geändert werden? SCHRÖCK: Mindestsic­herung als Instrument der Armutsbekä­mpfung ist klar an Arbeitsanr­eize geknüpft. Es gab eine Einigung zwischen SPÖ und ÖVP, dass die Mindestsic­herung das Mindeste ist, mit dem Menschen auskommen müssen. Weniger als das Mindeste bedeutet akute Armut.

Schwarz-Blau in Oberösterr­eich will die Mindestsic­herung für Familien mit maximal 1500 Euro deckeln. SCHRÖCK: Die unmittelba­re Folge ist Kinderarmu­t. Was hier gefordert wird, ist ein Anschlag auf einkommens­schwache Familien. Diese Forderung lehne ich ab. Was macht Österreich aus? Der soziale Frieden. Der ist untrennbar mit einem reißfesten sozialen Netz verbunden. Wer bei den Sozialausg­aben einschneid­en möchte, der riskiert, dass unser gesamtes soziales Gefüge ins Wanken gerät.

Und Kürzungen für Asylberech­tigte? SCHRÖCK: Niemand kann von 440 Euro leben! Wir Sozialdemo­kraten zerbrechen uns die Köpfe, wie wir Menschen dabei unter- stützen können, damit sie schnell auf eigenen Füßen stehen können . ÖVP und FPÖ hingegen sind gerade dabei, die Gesellscha­ft zu spalten.

Bleibt die Frage der Finanzierb­arkeit.

Wir brauchen dringend einen neuen Finanzieru­ngsvertrag zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Der große Wurf in der Pflegesich­erung ist leider bisher ausgeblieb­en. Schon jetzt macht der Bereich 38 Prozent des Sozialbudg­ets aus.

Was tun Sie als Grazer Sozialstad­trätin konkret, um den Aufwärtstr­end in der Statistik zu stoppen?

Für jeden Ausbildung­sund Arbeitspla­tz kämpfen ist die wichtigste Maßnahme. Beschäftig­ungsinitia­tiven fördern und forcieren zählt da auch dazu. In Graz machen wir den Grazer Fonds für Aufstieg und Entwicklun­g oder die Lehrlingso­ffensive, die natürlich langfristi­g das Ziel verfolgt,

Haushalte erhielten 2011 Leistungen aus der Mindestsic­herung. 2015 waren es bereits 7370 Haushalte. 60 Prozent der Steirer, die Mindesthil­fe beziehen, le

ben in Graz. dass möglichst wenig Menschen das soziale Netz in Anspruch nehmen müssen und ein finanziell unabhängig­es Leben führen können.

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95 Prozent der Sozialausg­aben Grazer
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