„Anschlag auf einkommensschwache Familien“
Grazer Sozialstadträtin Martina Schröck warnt vor Einschnitten bei Sozialausgaben.
Die Sozialausgaben haben sich in Graz in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt, bis 2020 wird sich die Entwicklung noch weiter beschleunigen. Wie kommt das?
Es wird immer nur die Frage gestellt, warum die Sozialausgaben ständig steigen. Selten fragt jemand, warum es so viele Arme gibt und das Vermögen so ungerecht verteilt ist. Die Steigerungen sind auch für mich besorgniserregend, weil sie Ausdruck der schlechten Wirtschaftslage sind. Viele Menschen kriegen keine Arbeitsstelle oder eine, von der sie nicht leben können, und landen nach Arbeitslose und Notstand in der Mindestsicherung. Stichwort Mindestsicherung. Heute beziehen doppelt so viele Grazer Haushalte Mindestsicherung wie 2011. Müssen die Spielregeln für den Bezug geändert werden? SCHRÖCK: Mindestsicherung als Instrument der Armutsbekämpfung ist klar an Arbeitsanreize geknüpft. Es gab eine Einigung zwischen SPÖ und ÖVP, dass die Mindestsicherung das Mindeste ist, mit dem Menschen auskommen müssen. Weniger als das Mindeste bedeutet akute Armut.
Schwarz-Blau in Oberösterreich will die Mindestsicherung für Familien mit maximal 1500 Euro deckeln. SCHRÖCK: Die unmittelbare Folge ist Kinderarmut. Was hier gefordert wird, ist ein Anschlag auf einkommensschwache Familien. Diese Forderung lehne ich ab. Was macht Österreich aus? Der soziale Frieden. Der ist untrennbar mit einem reißfesten sozialen Netz verbunden. Wer bei den Sozialausgaben einschneiden möchte, der riskiert, dass unser gesamtes soziales Gefüge ins Wanken gerät.
Und Kürzungen für Asylberechtigte? SCHRÖCK: Niemand kann von 440 Euro leben! Wir Sozialdemokraten zerbrechen uns die Köpfe, wie wir Menschen dabei unter- stützen können, damit sie schnell auf eigenen Füßen stehen können . ÖVP und FPÖ hingegen sind gerade dabei, die Gesellschaft zu spalten.
Bleibt die Frage der Finanzierbarkeit.
Wir brauchen dringend einen neuen Finanzierungsvertrag zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Der große Wurf in der Pflegesicherung ist leider bisher ausgeblieben. Schon jetzt macht der Bereich 38 Prozent des Sozialbudgets aus.
Was tun Sie als Grazer Sozialstadträtin konkret, um den Aufwärtstrend in der Statistik zu stoppen?
Für jeden Ausbildungsund Arbeitsplatz kämpfen ist die wichtigste Maßnahme. Beschäftigungsinitiativen fördern und forcieren zählt da auch dazu. In Graz machen wir den Grazer Fonds für Aufstieg und Entwicklung oder die Lehrlingsoffensive, die natürlich langfristig das Ziel verfolgt,
Haushalte erhielten 2011 Leistungen aus der Mindestsicherung. 2015 waren es bereits 7370 Haushalte. 60 Prozent der Steirer, die Mindesthilfe beziehen, le
ben in Graz. dass möglichst wenig Menschen das soziale Netz in Anspruch nehmen müssen und ein finanziell unabhängiges Leben führen können.