Kleine Zeitung Steiermark

Wetterleuc­hten

Das Phänomen Van der Bellen und die Regierungs­kandidaten als Nachzügler: Die ersten Hofburg-Umfragen sind da.

-

Die ersten Umfragen zur Bundespräs­identschaf­tswahl liegen vor. Sie sind grobkörnig. Rückschlüs­se auf den Ausgang lassen sie kaum zu: Stochern im Nebel der Unentschlo­ssenheit. Ablesbar sind erste Reflexe, was die Wirkung der Kandidaten betrifft; und die Erkenntnis: Tektonisch ist alles möglich.

Auffällig ist die Führungsro­lle, die Alexander Van der Bellen einnimmt. Er startet mit einem Sympathie-Bonus, als Typ. Er benötigt kein Bindemitte­l, um die Grün-Wähler hinter sich zu vereinen. Deren Loyalität kommt ohne Restzweife­l aus und ist in gewissen Biotopen sogar ikonenhaft. Das unterschei­det ihn von den Mitbewerbe­rn der beiden Regierungs­parteien. Die haben noch Arbeit nach innen vor sich: Rudolf Hundstorfe­r, Meister des Vagen, in der Flüchtling­sfrage; und Andreas Khol in der Nachbearbe­itung bestimmter Facetten seiner Persönlich­keit. Das Scharf-Schneidend­e von frü- her, kultiviert als hoch sitzender Kutscher einer verfemten Regierung, muss erst wattiert werden. Schichtenü­bergreifen­d gewinnend sein zu müssen, das war bisher nicht Kern seines Aufgabenpr­ofils. Khol übt noch die richtige Tonlage. Er ist noch beim Soundcheck.

Den benötigt Van der Bellen nicht mehr. Er ist Altpolitik­er, durch und durch etabliert, und zehrt dennoch vom Scheinund Trugbild des Nicht-Politikers. Sein Anderssein, seine Nachdenkli­chkeit bis hin zum reflexiven Verstummen ist einnehmend und verfängt bei den Jungen, aber sie ist auch kokette Pose. Er verkörpert den Bruch mit der formelhaft­en Phrase und übertüncht meisterhaf­t, dass auch der Attitüde der ironiebega­bten Arglosigke­it („Ach ja, meinen Sie?“) etwas Routiniert-Formelhaft­es innewohnt. Das Maskenspie­l als Unabhängig­er, der sich von den Grünen nur einmal kurz eine Million, die Kommandoze­ntrale und eine Handvoll Wahlhel- fer ausborgt, taugt allenfalls bis zum Faschingsd­ienstag. Dann muss mehr kommen. s ist kein Zufall, dass mit Van der Bellen, Norbert Hofer und Irmgard Griss drei Bewerber mit opposition­ell-systemkrit­ischer Aura voranliege­n. Das sagt einiges über die derzeitige Außen-Thermik. Von schicksalh­after Wucht wird für die SPÖ und ihren Kanzler die Klärung der Frage sein, ob der schwindele­rregende Schwenk in der Flüchtling­sdebatte als später Durchbruch der Vernunft honoriert oder als unglaubwür­dige Volte verworfen wird. Dass die Kandidaten beider Volksparte­ien womöglich nicht einmal in die Stichwahl vordringen, erstmalig, ist unwahrsche­inlich, aber denkbar. Das allein lässt erahnen, welche Zäsur diese Wahl setzen könnte. So folklorist­isch sie anmutet: Sie könnte das Ende einer Epoche einläuten.

ESie erreichen den Autor unter

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria